Wir sind nicht allein (Johannes 15,12-15)
Gottesdienst für den 14.2.2021 in Brombach, wegen des Lockdowns ohne anwesende Gemeinde

Liebe Gemeinde,
dieser Tage las ich ein Interview mit dem Fan-Beauftragten des Bundesligavereins Eintracht Frankfurt. Er wurde gefragt, wie es den Fußballbegeisterten in Corona-Zeiten ginge. Darauf antwortete er: Sie vermissen so viel, die regelmäßigen Stadionbesuche, das regelmäßige Treffen mit Gleichgesinnten und Freunden, die gemeinsame Vorbereitung auf die Heimspiele, die Fangesänge und gemeinsame Freude über einen Sieg. Der Interviewer setzte nach: Werden sie auseinanderlaufen? Das wohl eher nicht, meinte der Beauftragte, aber die Prioritäten verschieben sich, der Fußballnachmittag kann mit anderen Aktivitäten gefüllt werden. 

Als ich dieses Interview las, erinnerte ich mich an einige Gespräche der letzten Tage. Immer wieder hieß es, dass wir in der Gemeinde so viel vermissen, Gottesdienste, die wir real feiern, Singen und spürbare Freude durch Gottes Geist, das normale, unkomplizierte Miteinander, das sich ergibt, weil wir uns in der Kirche treffen.

Meine Gedanken gingen weiter. Hilft es uns, wenn wir immer nur aufzählen, was wir vermissen? Ist Gemeinde da deckungsgleich mit Fußball-Fan-Kultur? Schauen wir Jesus immer nur zu, wie er auf dem Spielfeld herumrennt und bejubeln ihn dabei? Oder sind wir nicht auch in Corona-Zeiten auf dem Spielfeld dabei, nicht als die jubelnden Fans, sondern in Jesu Mannschaft?

Jesus sprach seine Jünger darauf an. Er nannte sie nicht Fans, sondern seine Freunde, mit denen er als ihr Freund unterwegs war. Aus dieser Freundschaft sollte ein Projekt wachsen, Liebe untereinander, wie Jesus sie vorgelebt hatte. In seinen Abschiedsreden kurz vor seinem Tod fasste Jesus es so zusammen:

Johannes 15,12-15
Das ist mein Gebot: Ihr sollt einander lieben – so wie ich euch geliebt habe. Niemand liebt mehr als einer, der sein Leben für seine Freunde einsetzt. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr meine Gebote befolgt. Ich bezeichne euch nicht mehr als Diener. Ein Diener weiß nicht, was sein Herr tut. Ich nenne euch Freunde. Denn ich habe euch alles gesagt, was ich von meinem Vater gehört habe.

Worüber ich zuallererst stolpere: Jesus hat hier eine weiterreichende Vorstellung von Freundschaft als ich. Ich würde Freundschaft so definieren: Es ist ein Geben und Nehmen, ausgeglichen und funktioniert nicht als Einbahnstraße. Jesus dagegen gibt sein Leben einseitig für seine Freunde, damit wir leben. Er hebt uns hoch auf Augenhöhe. Vorher waren wir Diener, jetzt sind wir seine Freunde. Jesus schafft die Voraussetzungen dafür. Sein Tod für uns ist wie ein Podest, auf das er uns stellt, damit wir mit ihm auf einer Ebene befreundet sein können. 

Als Freund holt Jesus uns vom Fanblock aufs Spielfeld, damit wir mit ihm zusammen eine Mannschaft bilden.

Was macht diese Freundschaft aus, so habe ich mich gefragt, und bin auf diese Merkmale gestoßen.

Für den Freund Jesus offen sein
Jesus redet mit uns und wir mit ihm. Bei diesem Austausch kommt mir unser Nachbar von Gegenüber in den Sinn. Er hat einen Haken auf dem Balkon, auf dem er jeden Tag seine Kleider zum Auslüften hinhängt. Ich denke, er will Gerüche neutralisieren und das schonender als ein Waschgang. Vielleicht liebt er auch die frische Luft, nach der seine Kleidern am nächsten Morgen duften. 

Wenn wir für Jesus offen sind, ist es, als wenn wir unsere Seele zum Lüften auf den Balkon hängen. Jesus nimmt uns die schlechten Gefühle des Tages, die drückenden Gedanken und die offenen Probleme, die wir mit uns rumschleppen. Er schenkt uns einen neuen Wind, säubert unsere Gedanken schonend und lässt uns freier atmen. Die Lösungen für alle unsere Themen bekommen wir meistens noch nicht bei dieser Lüftungsaktion, aber die Voraussetzung, für die Lösungen offen zu sein.

Ehrlich sein
Wir brauchen Jesus nichts vorzuspielen. Er kennt uns sowieso. Manchmal treffe ich beim Einkaufen meine Frisörin. Sobald ich sie sehe, fasse ich mir in die Haare. Sitzen sie gerade gut? Wird sie zufrieden mit mir sein? Wie blöd, die Frisörin kennt meine Haare besser als ich, sie hat mich schon mit unmöglich aussehenden nassen Haaren gesehen, und ihr wird es egal sein, ob die heute sitzen oder nicht. 

Gibt es diesen Frisör-Effekt auch bei Jesus, so habe ich mich gefragt. Sobald ich mich in seine Nähe begebe, checke ich erstmal meinen Seelenzustand. Kann ich mich präsentieren? Oder sollte ich erst mal in meiner Seele aufräumen, bevor Jesus eintritt? Wird er nicht Dankbarkeit erwarten? Und in mir ist vielleicht gerade viel Groll und Zorn, Lähmung und Enttäuschung?

Der Frisör-Effekt hindert mich, Jesus so nahe kommen zu lassen, dass er etwas verändern kann. Viel besser wäre es, ihn jetzt sehen zu lassen, wie es wirklich in mir aussieht: resigniert, müde, am Ende oder auch unternehmungslustig, bereit für ein neues Abenteuer. Daran kann er anknüpfen, den Ball entgegennehmen und mit mir weiterspielen.

Vertrauen und folgen
Dieses Jungscharspiel ist die beste Erklärung, wie Vertrauen und Gehorsam zusammengehören: Ein Kind bekommt die Augen verbunden und soll so einen Parcours mit Hindernissen ablaufen. Verschiedene andere Kinder rufen ihm zu, wie es laufen soll, ohne anzustoßen. Das klappt meistens nur dann, wenn bei den Rufenden ein Freund des Kindes ist. Das Kind kennt seine Stimme, vertraut dem Freund und läuft auf seine Befehle hin. Jesus zu gehorchen, ist nichts anderes. Man hört Jesu Stimme, die vertraut ist und mit der man Gutes verbindet, und folgt ihr. 

Die Freundschaft mit Jesus kann gelingen, wenn wir uns mit seiner Sprache vertraut machen. Er ruft ja nicht wie Jungscharkinder. Seine Worte sind vielfältig: Er gibt uns Zeichen, er gibt uns Gedanken in seine Richtung, er schickt uns Menschen mit Botschaften von ihm, er öffnet uns das Herz für Worte aus der Bibel. Für seine Nachrichten brauchen wir einen ganz großen Einkaufskorb, damit uns nur nichts entgeht.

Uns ist wichtig, was Jesus wichtig ist
Als unsere Kinder klein waren hatte ich eine Freundin, und wir trafen uns oft auf der Krabbeldecke. Wir teilten diesen ganz besonderen Lebensabschnitt. Doch bald zeigte sich, dass das nicht reichte für unsere Freundschaft. Ein wesentlicher Teil meines Lebens, die Beziehung zu Jesus, teilte sie nicht. Sie hatte auch gar kein Interesse daran, fragte nie nach. Es war ihr eher unangenehm, wenn ich von meinen Erfahrungen mit Gott sprach. Unsere Freundschaft verlief sich, obwohl wir das beide wahrscheinlich gar nicht bewusst wollten. 

Was ist Jesus so wichtig, dass ich es als seine Freundin teilen sollte? 

Jesus war wichtig, Menschen in Beziehung zu Gott zu bringen, dafür ist er gestorben. Ihm war wichtig, dass Menschen Heilung an Leib und Seele erfuhren, wieder in die Gemeinschaft aufgenommen wurden. Ihm war wichtig, dass alle Menschen vor Gott gleich waren, er machte keine Unterschiede. Er liebte sogar seine Feinde. Er war ein Teamplayer, kein Einzelkämpfer. 

Wenn ich diese Anliegen mit Jesus teile, verändert das mein Leben, ich bin wirklich auf dem Spielfeld mit dabei. Ich werde für meine Nächsten beten, dass sie Gott begegnen und ihn erkennen. Ich werde meine Haltung gegenüber meinen Mitmenschen immer dann korrigieren, wenn ich merke, dass ich Unterschiede mache. Ich werde mich mit Feindschaft nicht abfinden, sondern immer nach ersten Schritten aufeinander zu suchen. Ich werde meine Beziehungen zu anderen Christen stärken, damit wir zu Teamplayern werden.

Jesus will unser Freund sein, und er gibt uns mit diesen vier Punkten eine Anleitung, wie wir selbst zu guten Freunden und Freundinnen werden können, um seine Liebe fließen zu lassen: Für Jesus offen sein, ehrlich sein, vertrauen und das wichtig nehmen, was dem, der anderen wichtig ist. 

Jesus macht es uns vor, er will unser Freund sein, und wir sind als Gemeinde seine Freunde und (Fußball-)Mannschaft. Im Moment dürfen die Fans nicht ins Stadion, die Mannschaft schon. Da sollten wir sein, mit Jesus in unserer Mitte.

Cornelia Trick


Home


Verantwortlich Dr. Ulrich Trick, Email: ulrich@trick-online.de
Internet-Adresse: http://www.predigt-online.de/prewo/prewo_wir_sind_nicht_allein.htm