Ostern - und alles ist anders?
Gottesdienst am 22.04.2001

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
haben Sie Ihre Ostersträuße noch im Wohnzimmer stehen? Oder sind sie schon in den Abfalleimer gewandert, die Eier für den Speicher verpackt und die Schokoladeneier längst aufgegessen? Die Ostertage sind vorbei – schön war es. Ich ließ mir sagen, dass so mancher am Dienstag schlechte Laune im Geschäft hatte, weil alles schon wieder der Vergangenheit angehörte. Sind die Ostertage wirklich vorbei? Und was ist uns geblieben? Dieser erste Sonntag nach Ostern ist in der Christenheit seit den Anfängen der Kirche ein bedeutender Sonntag. Zu Ostern wurden die jungen Christen getauft. Am ersten Sonntag nach Ostern durften sie das erste Mal das Abendmahl mit der Gemeinde feiern. Sie waren aufgenommen in den Kreis der Jüngerinnen und Jünger, mit denen der Auferstandene das Mahl feierte. Wir werden heute mit hinein genommen in diese Tradition. Ostern ist der Beginn des Lebens mit Jesus, erste Gehversuche konnten geschehen und nun – wie geht es weiter? Das Markusevangelium gibt uns einen Einblick, wie Ostern sich weiterentwickelt hat – wie Ostern nicht nur ein schönes Fest im Alltag blieb, sondern zur entscheidenden Lebenswende wurde. Der letzte Abschnitt des Evangeliums ist wie eine Glaubensunterweisung.

Markus 16,9-20

Nachdem Jesus früh am Sonntag auferstanden war, zeigte er sich zuerst Maria aus Magdala, die er von sieben bösen Geistern befreit hatte. Sie ging und berichtete es denen, die früher mit Jesus zusammengewesen waren und die jetzt trauerten und weinten. Als sie hörten, dass Jesus lebe und Maria ihn gesehen habe, glaubten sie es nicht. Danach zeigte sich Jesus in fremder Gestalt zwei von ihnen, die zu einem Ort auf dem Land unterwegs waren. Sie kehrten um und erzählten es den anderen, aber die glaubten ihnen auch nicht. Schließlich zeigte sich Jesus den Elf, während sie beim Essen waren. Er machte ihnen Vorwürfe, weil sie gezweifelt hatten und denen nicht glauben wollten, die ihn nach seiner Auferstehung gesehen hatten. Dann sagte er zu ihnen:
"Geht in die ganze Welt und verkündet die Gute Nachricht allen Menschen! Wer zum Glauben kommt und sich taufen lässt, wird gerettet. Wer nicht glaubt, den wird Gott verurteilen. Die Glaubenden aber werden an folgenden Zeichen zu erkennen sein: In meinem Namen werden sie böse Geister austreiben und in unbekannten Sprachen reden. Wenn sie Schlangen anfassen oder Gift trinken, wird ihnen das nicht schaden, und Kranke, denen sie die Hände auflegen, werden gesund." 
Nachdem Jesus, der Herr, ihnen dies gesagt hatte, wurde er in den Himmel aufgenommen und setzte sich an die rechte Seite Gottes. Die Jünger aber gingen und verkündeten überall die Gute Nachricht. Der Herr half ihnen dabei und bekräftigte die Botschaft durch die Wunder, die er geschehen ließ.

Das Markusevangelium schloss in seinem ursprünglichen Entwurf mit einem panischen Geschehen. Die Frauen am leeren Grab entsetzten sich über die Engelbotschaft. Sie erzählten niemand davon, sondern flohen. Es war eine verständliche Reaktion. Und doch blieb es nicht dabei, sonst hätte sich die Botschaft nicht ausgebreitet. Die anderen Evangelien berichten übereinstimmend, dass die Frauen nach anfänglicher Furcht doch losliefen und den Jüngern von dem Osterwunder erzählten. So wurde nach einiger Zeit, wohl in der Mitte des 2. Jahrhunderts, dem Markusevangelium ein weiterer Schluss angefügt. Aus den anderen Berichten der Evangelien zusammengestellt, lesen wir eine Zusammenschau von den Ereignissen, die Ostern folgten. Hier stoßen wir auf ein tiefes Glaubensgeschehen. 

Die 3. Generation nach Jesus wusste darum, dass Ostern Auswirkungen hatte. Alles, was sie hier überlieferten, hatte auch zu ihrer Zeit noch Bedeutung, sonst wäre es nicht der Rede und schon gar nicht des Schreibens wert gewesen. Die Leute im 2. Jahrhundert haben ihre durch Ostern veränderte Sicht der Welt eingebracht, sie haben ihre ermutigenden Erfahrungen des Glaubens weitergegeben. Sie haben ihrer Hoffnung auf Zukunft mit Jesus Christus Ausdruck verliehen. Das war ihnen so wichtig, dass es zum ursprünglichen Markusevangelium dazuwuchs. Und diese Erfahrungen sind gleichzeitig eine gute Anleitung für junge Christen und auch für ältere. Sie lernen, dass Ostern Fortsetzung hat – nicht nur damals. Sie begegnen Jesus persönlich und sie bekommen vom Auferstandenen den Auftrag, Ostern weiterzutragen in alle Welt und alle Zeit.

Jesusgeschichten

Zu dem panischen Erschrecken der Frauen am leeren Grab werden drei weitere österliche Begegnungen nur in Stichworten erzählt. Zuerst begegnete Maria aus Magdala Jesus. Die ausführliche Darstellung finden wir in Johannes 20. Maria erkannte Jesus am Grab zuerst nicht. Tränen der Trauer verhüllten ihren Blick. Der Auferstandene war nicht mehr der Irdische, Maria hielt ihn schlicht für den Gärtner. Erst als Jesus sie bei ihrem Namen "Maria" nannte, erkannte sie ihn. 

Dann wird von den Emmausjüngern berichtet (Lukas 24). Sie kamen von Jerusalem und Jesus als Auferstandener gesellte sich zu ihnen. Ihre Augen waren gehalten. Voll Trauer erzählten sie Jesus: "wir aber hofften, Jesus sei es, der Israel erlösen werde." Sie erkannten Jesus nicht, hielten ihn für einen Wanderer, der wie sie ein Nachtquartier brauchte. Erst als Jesus das Brot brach und ihnen gab, wurden ihre Augen geöffnet – der Wanderer war Jesus und Jesus ist wahrhaftig auferstanden. 

Beide Begegnungen haben Gemeinsamkeiten. Jesus wurde zunächst nicht erkannt. Plötzlich gab sich Jesus selbst zu erkennen im Rufen des Namens und im Brotbrechen. Ob hier schon eine Andeutung auf Taufe und Abendmahl gemacht ist? Denn in der Taufe werden wir auf Jesu Namen getauft und er ruft uns bei unserem Namen, im Abendmahl bricht er uns das Brot, um uns Anteil nehmen zu lassen an seinem Tod für uns. Auf jeden Fall werden hier erste Erfahrungen mit Jesus nach Ostern festgehalten. Jesus gibt sich zu erkennen, er ruft jeden und jede bei seinem und ihrem Namen. 

Jesus gibt sich selbst für uns hin, er tritt an unsere Stelle, dass wir Kinder Gottes werden können. Wir können die Erfahrungen weiter schreiben bis in unsere Gegenwart.

Bin ich Maria? Wo ist mir der Herr begegnet und hat mich bei meinem Namen gerufen? Ich denke an eine Gesprächsrunde, in der wir austauschten, wann wir ein solches "Maria-Erlebnis" hatten. Da berichtete jemand vom Schülerbibelkreis in seiner Schulzeit, da hatte er erfahren, dass Jesus ihn rief und das hatte ihn auf den Weg gesetzt. Eine andere erzählte, dass sie in einer schweren körperlichen Krise Jesus erfahren hatte, er ist ihr am Abgrund des Todes begegnet und hat sie ins Leben zurück gerufen. Und ich selbst konnte auch Maria-Erlebnisse beisteuern, bei denen ich deutlich gemerkt habe, Jesus ruft mich und ermutigt mich, ihm neu zu vertrauen.

Aber vielleicht liegen Ihnen die Emmausjünger näher. Sie befinden sich in einer Lebensphase, die durch Trauer, Depression und Dunkelheit völlig verhangen ist, sie sind auf dem Weg, weg vom Ort ihrer Hoffnung und Liebe. Und da öffnet ihnen Jesus den Blick für das Lebensbrot, er sagt ihnen zu, dass alle Dunkelheit keine Macht mehr hat, alle Schuld vergeben ist und Sie am Leben und am Sieg Jesu teilhaben können. Ich kann mir vorstellen, dass diese Situation manchen trifft, der am Sterbebett gesessen hat und mit Gefühlen von Schuld und Versagen zurückgeblieben ist. Und wie ein Sterbebett ist auch manche zerbrochene Liebe, wo man sich vom Ort der Hoffnung und des Glücks entfernt und doch nicht allein gelassen ist, weil Jesus längst mitgeht und das Lebensbrot für die nächste Wegstrecke teilen will. 

Die beiden Ostergeschichten, die hier bei Markus nur schemenhaft angedeutet sind – und man braucht eigentlich die anderen beiden ausführlichen Berichte in Johannes und Lukas, um sie zu verstehen – sind Hilfen für unsere Lebensgeschichten. Der Auferstandene begegnet uns und gibt sich uns zu erkennen. 

Die dritte Ostergeschichte handelt von dem Jüngerkreis, der nach Karfreitag in Jerusalem geblieben ist. Jesus offenbarte sich seinen Jüngern. Doch achten wir in diesem Bericht auf die Nuancen. Die Jünger entsetzten sich nicht über seine Erscheinung, sondern Jesus tadelte ihren Unglauben. Unglaube ist Thema seit Ostern. Zwar ist die Auferstehung Jesu Christi der Kern des christlichen Glaubens, aber nichts ist so umstritten. In unseren Gesprächen während des Alpha-Kurses landeten wir oft genau an diesem Kern. Kann man wirklich glauben, dass Jesus auferstanden ist? Diese Zweifel, die es offenbar schon im Jüngerkreis gab, sind bis heute nicht ausgeräumt. Doch nicht die Zweifel sind hier das Spannende, sondern wie sie überwunden werden. 

Jesus sendet aus

Statt Argumentationshilfen zur Überwindung von Zweifeln zu nennen, spricht Jesus den Jüngern zu, dass sie von ihm weitersagen sollen. Jesus empfiehlt offenbar, Zweifel durch Predigen zu überwinden. Und tatsächlich wurde John Wesley, unserem Kirchenvater, genau dieser Rat von einem erfahrenen Seelsorger gegeben: "Predige den Glauben, bis du ihn hast, und dann predige ihn, weil du ihn hast." Vielleicht hatte der Seelsorger dabei sogar Markus 16 im Hinterkopf. Ich finde diesen Rat sehr nachdenkenswert. Immer, wenn ich von diesem Glauben an Jesus anderen erzähle, werde ich mich damit innerlich beschäftigen, Argumente suchen und in den Gesprächen Gottes Heiligen Geist erleben, der selbst Jesus erfahrbar macht. Jesus wird mir näher kommen, auch wenn ich selbst es noch gar nicht merke. Im Alpha-Kurs wurde uns das auch so deutlich. Da liefen die Gespräche oft nicht über uns Leitende, die über alle Zweifel erhaben schienen, sondern die Leute erzählten sich untereinander, warum sie es wichtig finden, dass Jesus in ihrem Leben ist und warum sie es gleichzeitig so schwer finden, daran zu glauben. Und mit jedem Gespräch wuchs bei manchen die Gewissheit, dass Jesus lebt und wirklich etwas mit ihnen zu tun hat. Und schließlich überwindet Jesus selbst die Zweifel. Ich kann mich auf seinen Auftrag einlassen und er wird mir den Rest dazu schenken. Ich kann meiner Freundin in ihrer Krise von meinen Erfahrungen mit Jesus erzählen und Jesus wird dadurch meinen Glauben stärken und ihren vielleicht wecken. Glaube ist kein Trockenkurs. SchwimmenSo wie wir erst im Wasser schwimmen lernen, so lernen wir auch im Anwenden den Glauben. Jesus schenkt uns Glauben, der Halt bedeutet und Ausstrahlung hat.

Kann es sein, dass wir uns zu selten, zu wenig "ins Wasser" begeben? Die konkreten Herausforderungen des Zeugnisses in Wort und Tat fehlen und schon wachsen die Zweifel. Wo sind die Anstöße, den Glauben "im Wasser" zu praktizieren? Am Familientisch, in der Firma, auf dem Spielplatz, in der großen Pause auf dem Schulhof...?

Die Ostergeschichten sind Vorgeschichten einer großen Missionsbewegung. Dem Wort folgten bestätigende Zeichen. Unser australischer Freund Brian Vogt erzählte von einer amerikanischen Gemeinde, die genau die hier beschriebenen Wunder praktizierte, regelmäßig wurde Gift getrunken und gefährliche Schlangen konnten den Gemeindegliedern nichts anhaben. Sicher ist hier das begleitende Zeichen für die Hauptsache genommen worden. Doch ein wahrer Kern steckt darin. Jesus lässt unserem Wort bestätigende Zeichen folgen.

Die Welt ist bedrohlich. Der Manager wird durch eine Umorganisation freigesetzt. Er empfindet, wie eine böse Macht ihn in den Klauen hat. Das Ehepaar versteht sich nicht mehr, obwohl beide eine Sprache sprechen. Der Freund redet schlecht hinter dem Rücken, es ist als ob die Schlange ihr Gift in die bewährte Freundschaft spritzen würde. Die Diagnose Krebs trifft die Frau wie aus heiterem Himmel. Sie fühlt sich, als ob gleichzeitig der Himmel über ihr einstürzt und sich der Boden unter ihren Füßen öffnet. Da hinein trifft unser Zeugnis von Jesus und er wird verändern. Die Bedrohungen dieser Welt bleiben, doch Jesus ist stärker. Er kann aus der Arbeitslosigkeit des Managers einen Neuanfang bewirken. Er kann eine neue Sprache schenken, dass Mann und Frau sich wieder verstehen. Er kann den Freund zur Einsicht bringen und Reue und Vergebung für das hinter dem Rücken-Reden schenken. Er kann der Frau, die Krebs hat, alle Kraft seiner Hoffnung schenken, den Kampf aufzunehmen und sich allein auf Jesus zu verlassen. Seine Liebe endet auch nicht im Tod. 

Ist für uns seit Ostern alles anders geworden?

Ich möchte mich Jesus wieder neu anvertrauen. Ich möchte darauf achten, wo er mich bei meinem Namen ruft, mir das Lebensbrot bricht und gibt. Ich möchte meine Zweifel von ihm überwinden lassen, von ihm erzählen und in seinem Namen handeln. Ich möchte mich überwältigen lassen von den Zeichen, die er auch meinem kleinen Zeugnis folgen lässt.

Jesus siegt! Das ist seit Ostern unser Glaubensbekenntnis und unser Thema. So können wir noch unser ganz persönliches Zeugnis dem Markusevangelium anfügen – zusammen mit allen Christen die sich vor uns und mit uns auf Jesus eingelassen haben.

Cornelia Trick


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