Ostern im Herzen (Markus 16,9-15)
Gottesdienst für den 11.4.2021 in Brombach, wegen des Lockdowns ohne anwesende Gemeinde

Liebe Gemeinde,
gerade schaue ich eine Serie über den Berliner Ku´damm in den 50-iger und 60-iger Jahren. Die auf eine Familie konzentrierte Gesellschaftsstudie ist spannend. So war es damals, besonders die Zeitsprünge sind interessant. Was ist aus den Personen geworden? Konnten sie ihre Pläne und Träume verwirklichen, oder kam es ganz anders? Ich muss mich immer bremsen, nicht den Anfang der nächsten Staffel schon vorwegzunehmen.

Das Markusevangelium bietet uns eine solche Serie mit einer sehr kurzen 2. Staffel. Ursprünglich schloss es mit dem Ostermorgen. Die Frauen liefen voller Furcht weg vom leeren Grab. Der Engel sagte ihnen, sie sollten zurück nach Galiläa gehen und dort dem Auferstandenen begegnen. Vielleicht ist das ein versteckter Aufruf an uns Leserinnen und Leser, das Evangelium noch einmal von Anfang an zu lesen, beginnend mit Jesus in Galiläa. Im Licht des Ostermorgens können wir Jesu Leben noch einmal neu bedenken und ihm dabei begegnen.

Im zweiten Jahrhundert wurde ein neuer Osterschluss an das Evangelium angefügt, sozusagen die 2. Staffel. Osterberichte, die wir aus den anderen Evangelien kennen, wurden ergänzt.

Markus 16,9-15
Früh am ersten Wochentag war Jesus vom Tod auferstanden. Zuerst zeigte er sich Maria aus Magdala, die er von sieben Dämonen befreit hatte. Sie machte sich auf den Weg und erzählte es seinen Freunden, die mit ihm zusammen gewesen waren und jetzt trauerten und weinten. Sie konnten nicht glauben, was sie von Maria hörten: „Jesus lebt! Ich habe ihn gesehen.“ Danach zeigte sich Jesus in einer fremden Gestalt zwei von ihnen, als sie auf dem Land unterwegs waren. Da kehrten sie um und erzählten es auch den anderen. Aber auch ihnen glaubten sie nicht. Schließlich zeigte Jesus sich den elf Jüngern, als sie gerade zum Essen am Tisch lagen. Er warf ihnen vor, dass sie nicht geglaubt hatten und uneinsichtig gewesen waren: Sie wollten denen nicht glauben, die ihn nach seiner Auferstehung gesehen hatten.  Und Jesus sagte zu den elf Jüngern: „Geht in die ganze Welt hinaus. Verkündet allen Menschen die Gute Nachricht.“

Maria aus Magdala
Das Johannesevangelium berichtet ausführlich von Maria am Ostermorgen (Johannes 20,11-18). Zunächst hatte sie Jesus nicht erkannt und hielt ihn für den Gärtner. Tränen trübten ihren Blick, gefangen war sie in ihrer Trauer. Erst als Jesus sie mit Namen rief, wurde ihr bewusst, dass es Jesus war. Sie hörte ihren Namen und identifizierte mit dieser Anrede Jesus, der sich ihr persönlich zuwandte, wie er es vorher getan hatte. 

Diese Jesusbegegnung blieb über die Jahrzehnte hinweg wichtig, denn sie wiederholte sich immer 
wieder. Menschen wurden aufmerksam auf Jesus, er rief sie ganz persönlich beim Namen und in seine Nachfolge. In der Feier der Taufe wurde dieses Rufen festgemacht: „Fürchte dich nicht, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!“ (Jesaja 43,1)

Was sagt uns Maria Magdalena heute? Man kann an dem Ort sein, wo man Jesus vermutet, in einer Gemeinde, in einem Gottesdienst, bei einer christlichen Veranstaltung, und ihn dort doch nicht wahrnehmen. Vielleicht ist jemand in seinen eigenen Gedanken gefangen. Vielleicht hat er zu genaue Vorstellungen, wie Jesus sein sollte, sich ihm zeigen müsste. Vielleicht ist eine zu sehr mit den eigenen Lebensfragen beschäftigt und schaut auf dieses Bündel zu ihren Füßen, ohne Jesus zu sehen, der vor ihr steht. 

Doch letztlich kommt es nicht darauf an, dass wir Jesus finden, sondern er findet uns. Er ruft uns mit Namen und gibt uns die Gewissheit, dass wir gemeint sind. Das können wir weder für uns noch für andere herbeiführen. Aber wir können beste Voraussetzungen schaffen, das es passiert. Für uns persönlich kann es helfen, ein Buch zu lesen, das von Jesus handelt, einfach mal nichts zu tun und die Gedanken schweifen zu lassen, einen Gottesdienst anzuschauen oder mit einem Christen ein tieferes Gespräch zu führen. Als Gemeinde können wir einen einladenden Ort schaffen, an dem Menschen sich gerne aufhalten und der sie inspiriert, auf Jesu Ruf zu warten. Dieser Garten, in dem Maria Magdalena sich aufhielt, könnte eine einladende Gemeinde sein, die Raum schafft für Jesusbegegnungen, die Zeit investiert, um zuzuhören und zu begleiten. Diese Begegnungen mit dem Lebendigen finden ja nicht nur einmal im Leben statt, sondern immer wieder, um zu ermutigen und zu stärken.

Die Emmausjünger
Zwei, die mit Jesus zu Lebzeiten vertraut waren, wanderten nach Karfreitag enttäuscht zurück in ihr altes Leben (Lukas 24,13-35). Sie trafen einen Mitwanderer unterwegs. Bald entspann sich ein reges Gespräch über die Vorkommnisse in Jerusalem, Jesu Tod und die geplatzten Hoffnungen. Der Fremde lenkte das Gespräch in neue Bahnen, er richtete den Blick auf die biblische Verheißung, dass der Tod des Einen neues Leben für viele bedeutete. Vielleicht verstanden die Männer schon da, was der Fremde ihnen erklärte, aber Jesus selbst erkannten sie erst beim Brotbrechen in der Herberge. 

Beim Brotbrechen gibt sich Jesus zu erkennen, so auch die Erwartung beim Abendmahl. Doch diese wichtige Ostererfahrung der Emmausjünger reicht über die gottesdienstliche Abendmahlsfeier hinaus. Jesus begegnet uns „unterwegs“. Er gesellt sich zu uns, ohne dass wir ihn immer gleich erkennen. Er hört uns zu, wo wir gerade stehen, was uns bedrückt. Er gibt uns Antworten und richtet unseren Blick auf ihn. Und er begegnet uns in Menschen, die uns zunächst fremd erscheinen. Auch hier können wir die Jesusbegegnung nicht schaffen oder herbeizwingen, aber wir können uns einlassen auf Wegbegleitende, seien sie fremd oder bekannt. Wir können aufmerksam sein, ob Jesus uns durch sie etwas sagen will. Wir können – und darauf freuen wir uns alle sehr – hoffentlich bald wieder bei einer Mahlzeit um den Tisch herum sitzen, das Brot teilen und Jesus im Gegenüber erkennen.

Vor ein paar Wochen fühlte ich mich den Emmausjüngern sehr nahe. Ich haderte mit mir, mit der Situation, mit dem heruntergefahrenen Gemeindeleben und fragte mich, wie wir in solch einer Situation einladend sein können für andere. Wie können sie Jesus begegnen, wenn unsere Türen geschlossen sind? Da bekam ich Post von einem unbekannten Mann. Er schrieb, dass er seit Kurzem in der Nähe der Gemeinde wohnte und seit einigen Monaten den Videogottesdienst schauen würde. Nun sei die Zeit gekommen, der Gemeinde näher zu rücken. Der Briefschreiber wird nicht geahnt haben, dass mir in ihm Jesus begegnet ist und ich aus seinen Worten Jesus hörte: „Mach dir nicht so viele Sorgen. Ich bin doch da und zeige mich den Menschen, auch auf kreativen Wegen und hinter den Kulissen.“

Die 11 Jünger
Die Jesusbegegnungen mit Maria Magdalena und den Emmausjüngern gipfeln in einer Erscheinung Jesu im Kreis seiner Jünger. Drei Jahre hatten sie ihn begleitet, waren seine engsten Vertrauten. Man sollte meinen, dass sie beim Wiedersehen jubelten und sich mit Jesus in den Armen lagen. Doch statt Wiedersehensparty und Staunen hören wir Jesu harten Tadel. Warum hatten sie nicht den ersten Osterzeugen geglaubt? Sie waren doch optimal auf Ostern vorbereitet worden, dreimal hatte Jesus ihnen seinen Weg ans Kreuz und seine Auferstehung vorhergesagt. Und doch zweifelten und zögerten sie, blieben in ihrer Karfreitagsstimmung stecken. 

Vielleicht hatte der Autor der 2.Staffel des Markusevangeliums auch uns Leser und Leserinnen heute im Blick. Wir haben ja manches gemein mit den 11 Jüngern damals. Wir kennen Jesu Leben von den Evangelien, sind sozusagen mit Jesus unterwegs in Galiläa gewesen. Aber wie die Jünger sind wir auf die ersten Osterzeugen angewiesen, waren nicht selbst am Grab, als der Engel die frohe Botschaft von der Auferstehung verkündete. Warum zweifeln wir immer noch?

Was antwortet Jesus uns? Offenbar kein: „Jetzt reiß dich zusammen und glaube endlich blind!“ Stattdessen sandte Jesus damals die 11 Jünger aus. Sie sollten mit seiner Vollmacht anderen von Jesus erzählen. Dabei sollten sie erfahren, dass Jesus ihnen lebendig nahe war, ihnen die richtigen Worte in den Mund gab, sie zu denen führte, die ein offenes Herz für Jesus hatten wie zum Beispiel der Kämmerer aus Äthiopien (Apostelgeschichte 8,26-40).

Jesus überwindet Zweifel, indem er auch uns losschickt, um andere mit seiner Osterbotschaft zu erreichen. Dabei werden wir ihn spüren, sein Geist wird uns die Kraft dazu geben und immer wieder auch neuen Mut, wenn scheinbar kein Erfolg zu sehen ist. 

Natürlich heißt das nicht, wir alle müssen zu emsigen Missionarinnen und Evangelisten werden, unermüdlich für die Sache Jesu um die Welt touren, wie es die Apostel taten. Die Osterbotschaft können wir auf vielerlei Wegen unseren Mitmenschen weitergeben, durch unseren Lebenswandel, durch beherztes Handeln, durch unsere geradlinige Haltung gegen Lieblosigkeit aller Art, durch unsere Barmherzigkeit, die uns wie Jesus erfüllen möge. 

Zweifel dürfen wir haben, Jesus kann damit umgehen. Doch er wird uns motivieren, seine Liebe in die Welt zu tragen. Dabei werden wir ihm immer wieder neu begegnen und die Zweifel überwinden.

Cornelia Trick


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