Keine Sorge
Gottesdienst am 08.09.2002 

Liebe Gemeinde, liebe Gäste,
gerade ist Wahlkampfzeit vor der Bundestagswahl. Morgen wird die Kandidat einer Partei durch unsere Straße gehen und Hausbesuche machen. So ist es in der Tageszeitung angekündigt. Ich bereite mich auf den Hausbesuch vor. Was will ich den Politikern mit auf den Weg geben? Bestimmt nicht, dass alles ganz prima ist, ich sorglos leben kann und meine Nachbarn auch. Im Gegenteil. Ich werde die Gelegenheit nutzen und ihnen sagen, was mir alles Sorgen bereitet. Die Arbeitssituation in unserem Land und unserer Region, die Umwelt, Krieg und Frieden, die Alterssicherung, die schulische Ausbildung - so viele Themen fallen mir ein, dass ich fürchte, der Kandidat wird gar nicht mehr weiter kommen mit seinen Hausbesuchen.

Und natürlich habe ich auch persönliche Sorgen, mache mir Gedanken um Nahestehende, die krank sind, die Lebenskrisen durchmachen, die Hilfe benötigen. Alles zusammen gibt einen ganz schönen Berg Sorgen, der sich allein bei mir aufhäuft. Brächten Sie Ihre Sorgen dazu, würden wir es bald zu einem Sorgengebirge schaffen.

Doch solch ein Berg oder Gebirge nimmt die Kraft zum Leben. Man kann nicht mehr in die Zukunft sehen, fühlt sich nur noch ohnmächtig und hilflos von der erdrückenden Last. Deshalb höre ich den Spruch für diesen Sonntag besonders aufmerksam: "Alle eure Sorge werft auf Gott, denn er sorgt für euch." (1.Petrus 5,7)

Hier wird offensichtlich ein Ausweg aus der Hilflosigkeit gewiesen. Es gibt einen Ort, an dem ich meine Sorgen abladen kann. Gott will meinen Berg abtragen. Der muss nicht mehr länger den Blick nach vorn versperren, Freiheit und neue Lebensfreude werden in Aussicht gestellt. Doch wie geschieht das? Reicht ein Appell, um alle Sorgen ein für allemal in Luft aufzulösen?

Ich bin auf eine Geschichte gestoßen, die sich im alten Israel um 800 vor Christus begeben hat. Sie hat mir geholfen, Gott meine Sorgen anzuvertrauen. Sie erinnert mich in sorgenvollen Situationen, dass Gott wirklich für mich sorgen wird.

König Ahab war König im Nordreich Israel. Das Urteil der biblischen Schriftsteller war vernichtend. "Noch mehr als seine Vorgänger tat er, was dem Herrn missfiel." Als Begründung wurde angeführt, dass er eine phönizische Frau, Isebel, heiratete und mit ihr den Kult um den Gott Baal übernahm. Sogar einen Tempel baute er Baal in Samaria. Baal stand für Regen, Wachstum und Fruchtbarkeit. Nach der langen Trockenperiode im Sommer erwachte er mit heftigen Regenfällen im Herbst zu neuem Leben. Ihn anzubeten verhieß gute Ernten und Wohlergehen.

Elia, ein Gottesmann aus Tischbe trat dem König Ahab entgegen. Er wusste sich von dem Gott Israels berufen, König Ahab auf seine falsche Götterverehrung hinzuweisen. Er schwor bei Gott, dass dieses Fehlverhalten Ahabs Konsequenzen haben würde, Gott würde seine Macht zeigen und beweisen, dass er der Lebendige ist. Regen und Tau sollten ausbleiben, bis der Prophet das Ende der Trockenheit ansagen würde.

Im Folgenden werden in Kurzform die unmittelbaren Folgen dieses Gottesspruches erzählt. Der König und seine Frau wollten Elia umbringen. Elia musste fliehen. Gott kümmerte sich um Elia. Er führte ihn zum Bach Krit, versorgte ihn dort mit Wasser und Brot. Der Prophet durfte Gottes Fürsorge ganz persönlich erleben. Doch auch der Bach Krit trocknete während der langen Trockenzeit langsam aus.

1.Könige 17,8-16

Da erging das Wort des HERRN an Elija, er sagte zu ihm: "Geh in die Stadt Sarepta in Phönizien und bleib dort! Ich habe einer Witwe befohlen, dich mit Essen und Trinken zu versorgen." Elia machte sich auf den Weg und ging nach Sarepta. Als er ans Stadttor kam, traf er dort eine Witwe, die Holz auflas. "Bring mir doch etwas Wasser!" bat er sie. Als sie wegging, um es zu holen, rief er ihr nach: "Bring auch etwas Brot mit!" Doch sie sagte: "So gewiss der HERR, dein Gott, lebt: Ich habe keinen Bissen mehr, nur noch eine Handvoll Mehl im Topf und ein paar Tropfen Öl im Krug. Ich lese gerade ein paar Holzstücke auf und will mir und meinem Sohn die letzte Mahlzeit bereiten. Dann müssen wir sterben." Elia erwiderte: "Geh heim und tu, was du vorhast. Aber backe zuerst für mich ein kleines Fladenbrot und bring es zu mir heraus. Den Rest kannst du dann für dich und deinen Sohn zubereiten. Hab keine Angst, denn der HERR, der Gott Israels, hat versprochen: 'Der Mehltopf wird nicht leer und das Öl im Krug versiegt nicht, bis ich es wieder regnen lasse.'" Die Frau ging und tat, was Elia ihr aufgetragen hatte. Und wirklich hatten die drei jeden Tag zu essen. Der Mehltopf wurde nicht leer und das Öl im Krug versiegte nicht, wie der HERR es durch Elia versprochen hatte.

Ist das einfach eine Erzählung aus ferner Zeit? Märchenhaft erzählt, aber uninteressant? Ja, so mag es auf den ersten Blick scheinen. Doch für mich ist diese Geschichte sehr aktuell geworden und hat sich mit meinem Leben verbunden. Schon die Vorgeschichte fesselt mich. Da wird davon berichtet, wie Ahab sich von dem lebendigen Gott abgewandt hatte, er baute Baal Altäre.

Ist das wirklich nur eine Geschichte von früher? Wen verehren Menschen heute? Den lebendigen Gott in Jesus Christus? Zufällig sah ich ein Open-Air- Konzert im Fernsehen, das besonders die mittlere Generation ansprach. Gegen Ende standen die Leute dichtgedrängt auf dem freien Feld mit erhobenen Armen und Feuerzeugen in der Hand, ganz so, wie sie es bei ihren Kindern gesehen haben. Diese Begeisterung hatte etwas von religiöser Verehrung und Hingabe. Dieselben Leute tags darauf im Gottesdienst? Wohl kaum und wenn, dann längst nicht so begeistert.

Altäre werden bei uns für viele Götter gebaut. Das Geld und die Macht, der Ruhm und die Fitness, dafür bringen wir Opfer, das bewundern wir und wollen in irgendeiner Form daran teilhaben. Doch genauso wie Ahab spüren wir die Konsequenzen. Ein Bekannter verliert seinen Arbeitsplatz, weil sein Unternehmensbereich weg rationalisiert wird. Kostenersparnis steht dahinter, um die Aktien wieder steigen zu lassen. Um ihre Position in der Firma zu festigen, macht eine Mitarbeiterin Überstunden und Wochenenddienste. Vieles bleibt dabei auf der Strecke, ihre Liebe, ihre Freunde, ganz zu schweigen von ihrem Glauben an Jesus Christus. Und wie mag es für eine Familie in Grimma sein, die gerade alles im Hochwasser verloren hat, wenn sie vom Klimawandel erzählt bekommt, den unser Lebensstil hervorgerufen hat? Ironie des Schicksals, dass die Kehrseite des Wohlstands gerade sie trifft? Mit den Konsequenzen der Anbetung anderer Götter kennen wir uns eigentlich aus. Aber wie zeigt sich nun der lebendige Gott, den wir durch Jesus Christus kennen?

Die Witwe am Stadttor von Sarepta macht uns auf die sozialen Auswirkungen der Dürrekatastrophe aufmerksam. Nicht nur Elias Leben war nach seinem Prophetenspruch gefährdet. Gefahr für Leib und Leben bestand auch für die ärmeren Leute Israels. Gerade Witwen konnten nicht mit einer staatlichen Versorgung rechnen. Und hatten sie - wie die Witwe von Sarepta - noch Kinder, die von ihnen abhängig waren, lebten sie von der Hand in den Mund. Die Dürre bedeutete existentielle Bedrohung. Die Preise für Getreide waren sprunghaft gestiegen und die Ölproduktion stagnierte, da die Olivenhaine keine Früchte mehr trugen. Das Grundnahrungsmittel Brot war zum unerschwinglichen Luxusartikel geworden. Für die Menschen dieser Gegend in Phönizien, die die Fruchtbarkeit für die Angelegenheit des Gottes Baal hielten, hatte dieser Gott versagt.

Die Begegnung Elias mit der Frau dort am Stadttor beleuchtet ein einzelnes Schicksal, erzählt darüber hinaus aber etwas Typisches. Gott erbarmt sich der Not. Er überlässt die Frau nicht ihrem Schicksal. Er kommt ihr entgegen. Er fordert sie heraus, ihm in Gestalt des Elia zu vertrauen und zu glauben. Sorgen und glaubenUnd er gibt ihr das, was sie täglich braucht, genug Mehl und Öl für jeden Tag. Gott erbarmt sich der Phönizierin, die jenseits der Grenzen Israels lebt in einem Land, das eigentlich Baal anbetet. Und er gibt sich der Ausländerin zu erkennen. Sie versteht, dass der Gott Israels ihr Leben schenkt - sogar auf andere Weise, als sie es bis jetzt kennen gelernt hatte. Er sieht ihr einzelnes Schicksal an und wendet es.

Schicksalsschläge treffen uns heute wie die Witwe damals. Wir leben in Schuldzusammenhängen, die uns auch ganz persönlich treffen. Wir können nicht davor weglaufen. Und vielleicht kommen wir uns manchmal auch vor wie diese Frau, verlassen und gebeutelt, am Rande unserer Kraft und in der Erwartung, dass es nicht mehr lange so mit uns weitergehen kann. Die Kraftreserven sind verbraucht, der Kummer ist zu groß. Ein Ausweg ist nicht zu erkennen. Das Sorgengebirge ist unüberwindlich. Wir sehnen uns nach Ruhe, nach Geborgenheit und Sicherheit.

Und in diese Situation hinein tritt Jesus wie Elia damals zu der Witwe. Er kennt unseren Namen. Er geht gezielt auf die eine gebückte Gestalt zu, die die letzten Kraftreserven versucht zu mobilisieren. Er spricht sie an: Kannst du mir etwas Zeit widmen? Und die gebückte Gestalt, die ausgelaugte Familienfrau, der gestresste Manager, hebt den Kopf und sagt aus tiefsten Herzen bedauernd: Ich kann dir keine Zeit widmen. Ich brauche die letzten Zeitschlitze, um mein Leben vor dem Absturz zu bewahren. Ich sehe ein, dass es schön wäre, mit dir, Jesus, Zeit zu verbringen, aber du siehst ja selbst meine Situation. Die Sorgen um die Zukunft haben mich fest im Griff. Und Jesus würde sagen: Ja, ich sehe deine Situation. Ich sehe, wie du falschen Göttern deine Zeit und dein Vertrauen geopfert hast und jetzt durch die Dürre in deinem Leben fast verdurstest. Aber ich möchte dir ja etwas Neues schenken. Dein Leben wieder heil machen, die Dürre beenden und dir Kraft geben. Ob die Familienfrau oder der Manager Jesus glaubt? Ob sie oder er sich neben Jesus setzt und ihm zuhört? Oder werden sie weiter gebückt mit letzter Energie der Arbeit und den Sorgen hinterherhinken?

Im Allianzjugendgottesdienst vor einer Woche hörten wir ein sehr bewegendes Zeugnis einer jungen Frau, die durch den letzten Jugendgottesdienst vor 4 Monaten in Neuenhain zum Glauben an Jesus Christus gekommen ist. Sie erzählte, dass sie als Atheistin ihre Freundin in diesen Gottesdienst begleitet hatte. Sie erwartete für sich nichts davon. Mitten in der Predigt erlebte sie, wie Jesus vor sie trat und ihr sagte, dass er sie meint, dass es ihn wirklich gibt und dass sie ihm vertrauen kann. Für die junge Frau hat sich seitdem viel verändert.

Ich bin überzeugt, dass Jesus bei jeder und jedem von uns viel verändern möchte. Es geht hier um die grundlegende Entscheidung, welchem Gott wir dienen wollen und wem wir vertrauen. Jesus zu vertrauen, heißt ihm zuzuhören, auf ihn zu hören, ihm Zeit zu widmen, im Light- Verfahren per Fernkurs geht das nicht.

Diese Begegnung hat Auswirkungen. Bei der Witwe ging das Mehl und das Öl nicht aus. Sie hatte an jedem der folgenden Tage genug zu essen, nicht nur für sich, sondern auch für den Sohn und den Propheten.

So werden wir für jeden Tag genug Kraft und Lebensnotwendiges bekommen, um unser Leben mit Jesus zu meistern. Wir brauchen uns mit ihm nicht zu sorgen. Er steht dafür, dass es reichen wird. Aber er steht auch dafür, dass wir unser Mehl und Öl nicht nur für uns selbst verbrauchen. Wir haben Jesus bei uns, für diese Lebensgemeinschaft sollten wir uns einsetzen. Das kann ganz unterschiedlich aussehen. Unser Nachbar, ein amerikanischer Christ, der beruflich hier in Deutschland sehr gefordert ist, engagiert sich in seiner Englisch- sprachigen Gemeinde in der Jugendarbeit. Ich weiß, dass er wenig Freizeit hat. Aber er wirkt nicht gehetzt, wenn er mit den Jugendlichen zusammen ist. Es macht ihm Spaß, er weiß sich da von Jesus hingestellt und erlebt seine Hilfe. Er plant nicht Jahre im Voraus, denn vielleicht wird er bald schon wieder versetzt. Aber jetzt ist er da und jetzt bekommt er Kraft für diese Aufgabe. Vielleicht erleben wir diese Hilfe und Unterstützung Jesu besonders intensiv, wenn wir uns ganz darauf verlassen müssen. Aber gerade in diesen Situationen, in denen die eigenen Sicherheitsnetze nicht mehr halten, liegt die Chance, Gottes Fürsorge zu erleben, die uns hält wie die Witwe damals.

Ich möchte von der Witwe lernen. Sie war von dem Zeitgeschehen direkt betroffen wie wir heute. Sie war gebeutelt vom Schicksal und hatte eigentlich nichts mehr zu erwarten. Und doch ließ sie sich auf Elia ein und vertraute ihm. Sie erkannte in den Worten Elias die Vollmacht Gottes, der genug Macht hat, am Leben zu erhalten, auch wenn alles dagegen spricht. Und sie hat Elia beherbergt, ihr Brot mit ihm geteilt. Ich möchte von dieser Frau lernen, Jesus zu erkennen, wie er sich mir in den Weg stellt und mich bittet, ihm zuzuhören. Ich möchte lernen, mich auf sein Wort zu verlassen und ihm meine Sorgen anzuvertrauen. Und ich möchte mein Leben mit ihm teilen und mich einsetzen für ihn, wo immer er mich haben will.

Cornelia Trick


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