Johannes, der Fährmann (Markus 1,2-8)
Gottesdienst am 13.12.2020 in Brombach

Liebe Gemeinde,
bei längeren Autofahrten begleitet mich seit einem Jahr ein Hörspiel in mehreren Etappen. Eine Familie in England wird über Jahrhunderte beschrieben. Die Übergänge zwischen den Jahrhunderten sind elegant gelöst. Eine Person, die am Schluss einer Folge gerade geboren wurde, wird im nächsten Abschnitt die Hauptrolle spielen. Diese Person ist wie ein Fährmann, der die Hörenden vom Ufer des ausgehenden Jahrhunderts zum Ufer des neuen Jahrhunderts führt. Ohne diese Verbindung würden die einzelnen Teile des Hörspiels völlig unverbunden aneinandergereiht erscheinen.

Wenn wir in knapp zwei Wochen die Geburt Jesu feiern, sind wir mitten in der Geschichte Gottes mit seinen Menschen und speziell dem Volk Israel begann. Auch in dieser Geschichte gibt es einen Fährmann, der uns aus der Zeit Israels in den Neuaufbruch mit Jesus führt, Johannes der Täufer. Er greift das auf, was Menschen in Israel von Gott und der Zukunft erwarteten, und bereitet sie auf Jesus vor. Dabei weiß er selbst noch nicht, wie es mit Jesus werden wird. Er weiß zunächst nur von einem „Stärkeren“, der kommen wird. Der Fährmann Johannes geht bei diesem Stärkeren davon aus, dass er die Erwartungen, die Propheten in Israel geschürt hatten, genauso erfüllen wird: Gott wird über die Welt zu Gericht sitzen und sie zur Verantwortung ziehen. Gott wird einen Erlöser schicken, der als König Gottes Herrschaft durchsetzt. Die römischen Besatzungstruppen wird er vertreiben, die Fremdherrschaft beenden, nur Gott wird über Israel regieren und Frieden für die ganze Welt wirken. 

Johannes wusste sich als Bote, der das unmittelbare Gericht Gottes ankündigte und die Menschen dazu aufrief, möglichst umgehend ihr Verhältnis zu Gott zu bereinigen.

Markus 1,2-8
Schon im Buch des Propheten Jesaja steht: »›Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her.
Der wird dir den Weg bereiten.‹ Eine Stimme ertönt in der Wüste: ›Macht den Weg bereit für den Herrn, ebnet ihm die Straße.‹« So ist es eingetroffen: Johannes der Täufer trat in der Wüste auf und verkündete den Menschen: »Lasst euch taufen! Ändert euer Leben! Gott will euch eure Schuld vergeben!« Und die Menschen strömten zu ihm aus ganz Judäa und Jerusalem. Sie ließen sich von ihm im Fluss Jordan taufen und bekannten ihre Schuld. Johannes trug einen Umhang aus Kamelhaar
und um seine Hüfte einen Ledergürtel. Er aß Heuschrecken und Honig von Wildbienen. Und er verkündete: »Nach mir kommt einer, der ist mächtiger als ich. Ich bin nicht einmal wert, mich zu bücken und ihm die Riemen seiner Sandalen aufzuschnüren. Ich habe euch mit Wasser getauft. Aber seine Taufe gibt euch den Heiligen Geist.«

Johannes Auftrag
Johannes wusste sich Zeit seines Lebens von Gott berufen. Seine Geburtsgeschichte, die Ankündigung seiner Geburt durch einen Engel im Tempel, war der Start seiner Mission. Er war überzeugt, dass Gott ihn beauftragt hatte. Er wollte, wie man den Berichten über ihn in den anderen Evangelien entnehmen kann, den Israeliten weitergeben, dass der Tag Gottes, an dem er bald Gericht halten würde, kein nettes Kaffeekränzchen werden konnte. Gott würde sein Volk besuchen, aber es wäre eher eine Heimsuchung.

Ich stelle mir die Menschen, zu denen Johannes sprach, als Obstbäume vor. Sie haben Triebe, die Früchte tragen, aber auch abgestorbene Zweige sind dazwischen. Johannes erwartete, dass Gott mit Feuer über diese Obstbäume fahren würde. Wo immer ein dürrer Ast war, würde dieser verbrannt und mit ihm der ganze Baum. Johannes mahnte zur Umkehr zu Gott. Er wollte verhindern, dass mit den dürren auch die lebendigen Äste verbrannt wurden. Er forderte die Leute auf, das, was von Gott trennte, auszuräumen, damit sie das Gerichtsfeuer überstanden. Er gab den Leuten, die zu ihm an den Jordan kamen, ein Zeichen, etwas, das sie mit all ihren Sinnen erfassen konnten. Er tauchte sie im Jordan unter. Das Wasser reinigte sie. Nun durften sie gewiss sein, für den Besuch Gottes waren sie vorbereitet.

Die Menschen strömten zu Johannes
Fasziniert lese ich in der Bibel, wie viele von Johannes Angebot Gebrauch machten und das ohne Werbeflyer und Influencer. Es war offenbar eine Ahnung in der Luft, dass Gott ganz nah war, dass etwas Entscheidendes passieren könnte und dass es gut war, sich auf die sichere Seite Gottes zu begeben.

Der Fährmann Johannes nimmt auch uns in der Adventszeit mit. Er bringt uns zwar nicht wie damals aus dem ersten Bund mit Abraham in den neuen Bund mit Jesus, aber er begleitet uns aus unserem täglichen Leben mit all seinen Höhen und Tiefen in die Weihnachtsstunde, wo Gott uns wieder neu an seinen Besuch vor 2020 Jahren erinnern will. Wo die Chance besteht, auch dieses Jahr wieder neu anzufangen mit Jesus, die dürren Äste auszuschneiden und dem Leben Raum zu geben.

Beim Nachdenken über die dürren Äste in meinem Leben bin ich zunächst auf die Äste gestoßen, die Paulus im Brief an die Galater als dürr bezeichnete. Es ist eine ganze Auflistung, damals so aktuell wie heute. Zusammengefasst geht es um die Themen: Sexuelle Gewalt, Egoismus, Feindschaft und Lagerbildung, Neid und Süchte (Galater 5,19-21). Klar, da fällt mir zu jedem Punkt etwas ein, allerdings muss ich zugeben, dass mir da vor allem andere einfallen, denen ich diese dürren Äste zuordnen würde. Aber ich? Und auch wenn ich an meine Gemeinde denke, bin ich froh und zutiefst dankbar, dass diese dürren Äste nicht offensichtlich zwischen uns stehen. Deshalb schaue ich genauer hin und finde da noch andere Haltungen, die sich nicht mit meinem Glauben an Jesus und meinem Vertrauen zu ihm vereinbaren lassen: 

  • Sorgen und Sorgenschleifen. Ich weiß um Jesu Hilfe, um seine Begleitung in den tieferen Tälern, um seinen Willen, es gut für mich zu machen. Und trotzdem sind meine Sorgen immer wieder stärker. Es fällt mir schwer, sie wegzuwerfen. Es fällt mir noch schwerer, sie bei Jesus liegen zu lassen und nicht nach einer Gebetszeit wieder einzusammeln.
  • Kleinglaube. Ich weiß genau, wie viele Flaschen ich auf einmal mit eigener Kraft tragen kann. Alles, was darüber hinaus geht, muss mit einem weiteren Gang transportiert werden. Leider denke ich, auch genau zu wissen, wieviel Gott tragen kann. Ich traue ihm einfach nicht zu, die Berge zu bewegen oder das Senfkorn zum Baum wachsen zu lassen. Es geht über meine Vorstellung hinaus. Ich mache Gott klein.
  • Kleinmut. Als die Israeliten das Land Kanaan einnehmen sollten, kamen Kundschafter zurück und erzählten, dass in dem neuen Land Riesen wohnen würden. Die Israeliten bekamen Angst und wollten nicht weiter, 40 weitere Jahre Wüste waren das Ergebnis. Ich finde mich öfter bei ihnen wieder. Es ist einfacher, beim Alten und Bewährten zu bleiben. Es ist einfacher, einer Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen, als mutig Stellung zu beziehen.
Die Botschaft des Johannes
Johannes erinnert uns, dass wir mit unseren dürren Zweigen zu Jesus kommen können. Jesus versteht uns und freut sich, dass wir etwas ändern wollen. Oft ist es wirkungsvoller, es vor einem Zeugen, einer Zeugin zu tun, sie kann helfen, den eigenen Untiefen auf die Spur zu kommen, und Jesu Vergebung zusprechen. Es ist anders, sie zugesprochen zu bekommen als sie sich selbst zu sagen.

Taufe mit Fortsetzung
Die dürren Äste auszuschneiden, ist nicht das Ende der Mission. Die saftigen Zweige gilt es zu entwickeln. Genau das tat Johannes nach dem Bericht des Lukasevangeliums (Lukas 3,7-14). Er gab den Getauften mit: „Lebt verantwortungsvoll und mit Respekt vor euren Nächsten. Bereichert euch nicht auf ihre Kosten und vermeidet Gewalt. Lebt im Einklang mit Gottes Geboten.“

Seit Jesus hat die Verkündigung von Johannes eine andere Perspektive bekommen. Anders als Johannes setzte Jesus seinen Schwerpunkt nicht auf das nahe Gerichtsurteil Gottes, sondern darauf, Gottes Kraft ins eigene Leben fließen zu lassen und mit seiner Hilfe die lebendigen Äste zu entwickeln. Sein Heiliger Geist wirkt bis heute und ermöglicht uns, gute Früchte hervorzubringen wie es im Galaterbrief weiter heißt: Liebe, Freude und Frieden, Geduld, Güte und Großzügigkeit, Treue, Freundlichkeit und Selbstbeherrschung. (Galater 5,22-23) Auch die Sorgenschleifen werden mit Jesu Hilfe kürzer, der Kleinglaube wächst hinein in ein umfassendes Vertrauen und der Kleinmut weicht der Courage. Das erfordert Mitarbeit, aber darüber denken wir dann im neuen Jahr nach. 

Heute gilt unser Augenmerk dem Fährmann Johannes, er erinnert uns an Baumschneide-Maßnahmen, und wir haben gegenüber den Menschen damals den Vorteil, dass Jesus schon da ist und uns dabei hilft. 

Glücklich ist der Mensch, der in dieser Weise lebt. Er gleicht einem Baum, der am Wasser gepflanzt ist. Seine Früchte trägt er zu seiner Zeit und seine Blätter welken nicht. Alles, was er tut, gelingt ihm gut.“ (Psalm 1)

Cornelia Trick


Home


Verantwortlich Dr. Ulrich Trick, Email: ulrich@trick-online.de
Internet-Adresse: http://www.predigt-online.de/prewo/prewo_johannes_der_faehrmann.htm