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Liebe Gemeinde, liebe Freunde, "Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir." (Psalm 139,5) So beschreibt der Psalmbeter Gottes Gegenwart in seinem Leben. Er weiß sich geborgen und aufgehoben in Gottes Gegenwart, er spürt den Segen Gottes über sich und nichts kann ihn aus diesem Schutzraum herausreißen. Wir wissen nichts über die konkrete Situation, in der diese Worte entstanden sind. Und der weitere Verlauf des Psalms deutet auch an, dass es nicht die Wolke sieben war, auf der diese Worte formuliert wurden, sondern Bedrängendes, Feindliches sich wie ein Loch vor dem Betenden auftat. Aber gerade in einer solchen Bedrohung gab die neue Vergewisserung und die neue Besinnung auf Gottes Gegenwart auch in der Dunkelheit Lebensmut und Kraft. Wir hören diesen Psalm heute in einem besonderen Festgottesdienst. Wir haben ein Paar gesegnet, das auf fünfzig Ehejahre zurückblickt. Sie bekennen, dass der Herr sie umgeben hat in allen Phasen ihres gemeinsamen Weges und befehlen sich für die vor ihnen liegende Wegstrecke der segnenden Hand aufs Neue an. Wir haben die Kinder gesegnet, die morgen in ein neues Kindergarten- und Schuljahr gehen. Sie brauchen diese schützenden, stärkenden Hände für ihr Leben in besonderer Weise. Wir werden jetzt fünf neue Glieder in unsere Gemeinde aufnehmen, sind dankbar, dass der Herr sie an seiner Hand bis zu dieser Lebensstation geführt hat und erbitten seine Hand über ihnen für ihr Leben in dieser Gemeinschaft. Wir merken, dass wir diese Hand Gottes brauchen, weil wir ohne sie verloren sind. Wir können uns in den Weiten unseres Lebens nicht selbst halten, nicht selbst segnen und nicht selbst leiten. Michelangelo hatte dieses
Händethema in einzigartiger Weise in seiner Zeichnung von der Schöpfung
Adams aufgegriffen. Doch heute geht es nicht um die Hand-Verweigerer, sondern um die, die sich frohen Herzens in Gottes Nähe begeben haben, die Gottes Hand als Hand der Liebe kennen und die sich heute fragen, wie es nun weitergeht - in der langjährigen Ehe, in der Schule, in der Gemeinde und mit dem Glauben. Ich möchte deshalb unsere Hände heute genauer betrachten und anhand unserer fünf Finger entfalten, wie sich unser Leben in der Gemeinschaft mit Jesus Christus verändert. Daumen: Der Daumen ist die Nummer 1 an unserer Hand. Versicherungstechnisch wird der Verlust eines Daumens mit 20% Invalidität berechnet. Für ein derart kleines Körperteil eine enorm hohe Summe. Ein Fünftel unserer Gesundheit hängt vom Daumen ab. Und dieser Daumen ist für mich Hinweis darauf, dass Gott die erste Stelle in unserem Leben einnimmt. Kein anderer Finger kann den Daumen ersetzen und kein anderer Halt kann uns zu unserer wahren Bestimmung führen wie Gott. Er ist auch nicht nur ein Sonntagsvergnügen oder eine Auffangstation, wenn wir uns verloren haben, sondern bei allem in unserem Leben an vorderster Front dabei wie eben der Daumen, der ja auch Tag und Nacht bei allem, was wir tun, im Einsatz ist. Vielleicht übersehen wir Gott leicht, denn wie der Daumen macht er sich nicht groß und fett in unserem Bewusstsein breit. Aber sobald wir versuchen, ohne ihn auszukommen, merken wir schmerzlich die Lücke. Zeigefinger: Der Zeigefinger wird von uns oft gebraucht als Orientierungshilfe. Wir weisen damit weg von uns selbst auf das Du. Im positiven Sinne wird unser Blick von unserem eigenen Bauchnabel weg auf den Mitmenschen gelenkt, der neben oder vor uns steht. Und merkwürdigerweise macht der Daumen diese Bewegung oft mit. Mit dem Zeigefinger zeigt er auf das Du. Es ist, als wollte er uns erst auf das Du aufmerksam machen und uns anleiten, in seinem Sinne und in seinem Auftrag den Nächsten und die Nächste zu betrachten. So sind wir in der Hand Gottes herausgefordert, nicht nur die Wärme und Nähe seines Schutzes auszukosten und uns darin Kraft für den Alltag schenken zu lassen, sondern mit dieser Gewissheit aufzubrechen und die Gemeinschaft wahrzunehmen, in die wir gestellt sind. Für die Geschwister, die heute in die Gliedschaft aufgenommen werden, haben wir Verantwortung zu übernehmen. Sie brauchen den Platz, den sie von Gott her hier einnehmen sollen. Sie zeigen uns damit die Weise, wie Gott diese Gemeinde weiterbauen will. Und die Neuen sind ermutigt, ihrerseits auf die Dus in der Gemeinde zuzugehen. Wir helfen ihnen, dass ihr Vertrauen stärker wird und sie Gottes Hand noch deutlicher in ihrem Leben spüren. Mittelfinger: Der Mittelfinger hat in unserer Kultur zur Zeit keinen guten Ruf. Doch abgesehen davon, wenn wir ihn im Vergleich zu den anderen Vieren anschauen, ragt er über sie hinaus. Der Mittelfinger ist Zeichen dafür, dass wir Gott ähnlich werden sollen, weil wir zu seinem Bild geschaffen sind und mit Jesus Christus in dieses Bild hineinwachsen können. Das geschieht so, dass Jesus Christus uns herausfordert, den gewohnten Trott unseres Lebens immer wieder zu verlassen und uns auf ihn einzulassen. Für den einen bedeutet es, beruflich einen neuen Weg einzuschlagen, wo er Gott besser dienen kann. Missionare erleben das, dass sie von Jesus herausgerufen werden aus einem ganz normalen Umfeld. Für eine andere bedeutet es, dass sie in einer überraschenden Krankheit erfahren, dass Jesus sie herausrufen will aus einer Situation, in der sie längst festgefahren waren und den Halt in Gott verloren haben. Für eine andere heißt es, dass sie sich endlich ein Herz fasst und eine unbereinigte Beziehung klärt, weil sie merkt, dass Jesus das von ihr will und sie nur so wachsen kann. Wie beim Mittelfinger geht es nicht darum, die anderen zu übertrumpfen und mehr Punkte oder Zentimeter auf der Himmelsleiter zu erklimmen, sondern es geht darum, Jesus ähnlich zu werden. Zeit mit ihm zu verbringen. Offen für ihn und sein Rufen zu werden. Sich selbst verschenken zu können. Unser Leben dafür einzusetzen, dass Jesus groß wird in dieser Welt. Ringfinger: Der Ringfinger steht für Treue. Bei vielen ist ein Ring an diesem Finger Zeichen, dass sie mit einem anderen Menschen in besonderer Weise verbunden sind. Das Goldene Ehepaar trägt nun schon fünfzig Jahre ihre Ringe mit eingraviertem Namen des und der anderen und dem Datum, das sie an diese lange gemeinsame Wegstrecke erinnert. So steht dieser Finger auch in der Gottesbeziehung für Treue. Der Herr ist uns treu und wir haben seinen Namen in unserem Herzen eingraviert. Und wir erwidern diese Treue, indem wir sie leben. Wie lebt ein Ringfinger Treue? Wie lebt ein Christ Treue? Er oder sie verpflichtet sich zu einem gemeinsamen Leben, das in guten und schlechten Tagen gilt und sich im gegenseitigen Lieben und Dienen äußert. Genauso wie Partner-Hopping damit ausgeschlossen ist, ist auch Gottes-Hopping nicht angesagt. Wir werden uns in diesem Treueversprechen nicht gleich wieder anderen Glückbringern anschließen, sondern bei Gott bleiben. Das gilt auch für Gottes Gemeinde auf Erden. Sie ist der Lebensraum, in dem wir Gott erfahren können. Praktizieren wir Gemeinde-Hopping, werden wir schuldig an Gottes Treue zu uns, der sich auch nicht nur die Schokoladenseiten bei uns aussucht, sondern auch in dunklen Stunden bei uns bleibt. Solange wir in dieser Gemeinde Gottes Wirken in der Freude, im Frieden und in seiner Vergebung erfahren, gibt es keinen Grund, den Ring vom Finger zu ziehen. Kleiner Finger: Fast alle Themen des Lebens als Christen in der Hand Gottes haben wir schon abgedeckt mit unseren vier Fingern, nun bleibt noch der kleinste und schwächste übrig. Doch er hat eine große Aufgabe. Er kann eine Kette zur nächsten Hand herstellen, sich in den kleinen Finger des Nachbarn einklinken und mit ihm unterwegs sein. Darum geht es, wenn wir davon erzählen, dass Jesus uns aussendet, um anderen die Gute Nachricht zu erzählen. Wir können uns einklinken in das Leben eines anderen, ohne Gewalt, ohne Druck, aber mit Liebe und Einfühlungsvermögen. Wer diesen kleinen Finger spürt, der den anderen sucht, wird Gottes Kraft spüren, wird Sehnsucht bekommen, ebenfalls Gottes Hand zu ergreifen und sie nicht lässig abzuwinken, wie Michelangelos Adam es tat. Und es ist gewiss nicht die Glanzleistung des kleinen, schwachen Fingers, wenn dann jemand plötzlich wirklich die Richtung ändert und zu Jesus kommt. Der kleine Finger ist sich bewusst, dass er nie die Kraft hätte, einen 80-Kilo-Mann zu bewegen. Das kann allein Gottes Geist. Angefangen hat es mit Gottes Hand, mit Gott, der uns ins Leben gerufen hat, uns diese Hand entgegenstreckt und um uns wirbt. Schlagen wir in seine Hand ein, wird unsere Hand verändert. Sie hängt nicht mehr lässig nach unten, sondern wird lebendig. Gott steht im Mittelpunkt, der Blick aufs Du wird frei, wir wachsen Gott entgegen, verpflichten uns, nach seinem Willen zu leben und erzählen voller Freude, was der Herr an uns getan hat und an allen Menschen tun will. Wenn die Neuen nachher die Fragen zur Aufnahme beantworten, so schlagen sie in Gottes Hand ein und bekennen: Ja, ich will mit Gott leben, mit Gottes Hilfe. Amen. Cornelia
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