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Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
Manchmal, wenn der Alltag über einem zusammenschlägt und man sich vor Terminen nicht mehr retten kann, wirkt die einsame Insel wie ein Zufluchtsort – eine Insel, auf der man ganz allein ist, niemand etwas von einem will und man sich nur um sich selbst kümmern muss. Aber in der Realität sind einsame Inseln eher schrecklich und kein Mensch wird sie in gesundem Zustand ernsthaft wollen. Wir brauchen unsere Mitmenschen genauso wie Adam, der erste von der Bibel porträtierte Mensch. Wir brauchen Wärme, Berührung, Zuwendung, unsere Gedanken entwickeln sich mit der Sprache und dem Reden darüber, für unsere Projekte brauchen wir die Gaben der Anderen, sonst wird nichts Größeres entstehen können, Korrektur und Hilfe schenken uns die Weggefährten, und wir brauchen für unsere Seele ein Gegenüber, für das wir wichtig sind. Im Idealzustand, der leider von der Menschheit seit Adam und Eva nie verwirklicht wurde, sind wir alle verbunden, helfen uns gegenseitig, stützen uns und fördern uns, dass alles, was in uns steckt, maximal zum Ausdruck kommt. Doch spätestens seit dem Kindergarten wissen wir, dass das nicht so funktioniert. Je näher wir uns kommen, je eher kommen wir uns ins Gehege. Als hätten wir Stacheln, so tun wir uns bei engeren Beziehungen umso mehr weh. Jesus hat uns in seinen Begegnungen mit zufälligen Menschen am Weg gezeigt, wie wir nicht in den Kindergartenmustern feststecken müssen, sondern er uns helfen kann, mit den eigenen und den Stacheln des Gegenübers umzugehen. Markus 2,1-12
Jesus war bei Simon und Andreas zuhause in Kapernaum. Es hatte sich schnell im Ort herumgesprochen, dass Jesus da war. Die Leute wussten, er würde von Gott erzählen, Kranke gesund machen, für jeden ein gutes Wort haben. Schnell war das Haus proppevoll, ja, es bildete sich sogar eine Menschentraube an der Eingangstür. Im gleichen Ort
Doch dieser Mann auf seinen zwei Quadratmetern hatte Freunde. Ob sie noch von früher aus seiner aktiven Zeit waren, ob sie ihn später kennengelernt hatten, ob sie vielleicht sogar seine Pfleger waren, die sich an seinem Bett abwechselten und seine Freunde wurden, wir wissen auch das nicht. Jedenfalls ist es etwas Besonderes. Von einem, der vom normalen Leben ausgeschlossen ist, würde man doch eher erwarten, dass er wie auf einer einsamen Insel lebt, nicht, dass er von einigen Freunden umgeben ist. Diese Freunde waren seine Antenne zur Außenwelt, sie brachten das Leben in sein Krankenzimmer. Die Freunde beschlossen,
ihren Freund zu Jesus zu bringen. Wir können uns das richtig vorstellen,
wie jeder von ihnen einen Zipfel der Matte griff und sie hochhob. Sie hatten
ganz schön zu schleppen, bis sie an Simons Haus angekommen waren.
Wie enttäuscht waren sie, als sie merkten, sie waren zu spät
gekommen, das Haus war schon voll. Für mich bemerkenswert, dass sie
nicht aufgaben, dass sie sich nicht sagten: „Es soll wohl nicht sein!“
Im Gegenteil, sie wurden äußerst kreativ, sogar ein bisschen
kriminell. Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch, dafür konnten
sie nach ihrer Dachaktion belangt werden.
Jedenfalls muss das ein merkwürdiges Spektakel im Wohnzimmer von Simons Zuhause gewesen sein. Alle hingen gebannt an Jesu Lippen, da rieselte auf einmal von oben Staub auf seinen Kopf, Strohhalme flogen durch die Luft, immer mehr Himmel war zu sehen und eine Matte kam von oben herunter. Man drängte sich zurück, um der Matte Platz zu geben, fast brach eine Panik in dem kleinen Raum ein. Die Matte lag vor Jesu Füßen, es war plötzlich mucksmäuschenstill, und Jesus schaute:
Die Helden der Geschichte aber sind die Freunde. Ihr Vertrauen zu Jesus, ihre kreative Überwindung der Hindernisse und ihr Blick für den bedürftigen Freund ließen Jesus handeln. Wegen ihnen ist diese Jesusbegegnung wohl überliefert und in der Bibel festgehalten worden. Was wir lernen können
Auch wir könnten zu den vier Freunden gehören. Die Geschichte ist ja eigentlich eine Anleitung zum Freund-Sein. Die Freunde bewiesen Empathie, sie konnten die Bedürfnisse ihres Freundes erkennen, sie brachten ihn zu Jesus. Das zeichnet Freunde aus, sie lesen im Anderen, was er braucht, sie leiden nicht nur mit, sondern werden kreativ. Sie bringen – und hier wird es eine geistliche Geschichte – ihren Freund zu Jesus und lassen Jesus sich um ihn kümmern. Die Freunde bilden eine Mattengemeinschaft. Freunde sollten Netzwerke knüpfen, so können sie viel besser einander beistehen, als einer allein. Der hätte den Freund nicht zu Jesus schleppen können. Die Mattengemeinschaft lässt sich von Widerständen nicht aufhalten. Selten müssen wir Dächer abdecken, meistens sehen die Hindernisse anders aus, die der Gemeinschaft im Weg stehen. Da ist die Geschäftigkeit, dass wir keine Zeit füreinander haben, so auch gar nicht richtig mitbekommen, was dem Anderen fehlt. Da ist die Angst voreinander. Zum Einen, dass man die Schwäche voreinander verbergen will, zum Anderen, dass man gefordert sein könnte, etwas gegen die Schwäche des Anderen zu unternehmen. Da sind Konflikte, die wie Dächer im Weg sind, andere Prioritäten, Verletzungen, Vertrauenskrisen, der ganze bunte Strauß, der Gemeinschaft und Freundschaft zerstört. Sind wir mutig, diese „Dächer“ abzudecken, dann werden wir merken, wie befreiend es sein kann, mit unverhüllten Gesichtern einander anzuvertrauen und zu Jesus getragen zu werden, in der Fürbitte, mit Handauflegung, unterstützt durch ein gutes Wort. Ziel der Geschichte ist, dass wir Teil einer Mattengemeinschaft werden, als die, die auf der Matte liegen, aber dann auch als die, die Matten tragen können, weil sie selbst erlebt haben, wie Jesus anschaut und heilt. Auch wenn das Ideal immer unerreichbar vor uns steht und wohl erst im Himmel vollendet sein wird, so dürfen wir es in der Gemeinde und in unseren Freundschaften hoffentlich schon ansatzweise erleben, dass wir
Alle sahen es. Sie gerieten außer sich, lobten Gott und sagten: »So etwas haben wir noch nie erlebt.« Cornelia
Trick
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