Einander annehmen - Jahreslosung 2015 (Römer 15,7)
Gottesdienst am 04.01.2015 in Brombach
Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
in einer Lehrveranstaltung beschäftigten wir uns mit der Geschichte des Weihnachtsfestes, wie sich Weihnachtsbräuche entwickelten, wie es zu verschiedenen Zeiten bis heute gefeiert wird. Gegen Ende wurden wir auch persönlicher, erzählten von unseren Weihnachtserfahrungen. Der Dozent berichtete, dass er regelmäßig krank sei. Die „heile Welt“, die ganze Großfamilie in scheinbarer Harmonie würde ihm auf den Magen und aufs Gemüt schlagen. Er wäre Weihnachten am liebsten allein auf einer einsamen Berghütte. 

Der Dozent wusste genau, worum es Weihnachten ging, um Jesus. Das wollte er mit ganzem Herzen feiern. Aber die nächsten Beziehungen zu seinen Lieben waren ihm zu anstrengend, Weihnachten ohne Beziehungen wäre für ihn passend gewesen.

Obwohl wir Jesus kennen und ihn im Herzen haben, heißt das nicht automatisch, dass wir in Liebe und Frieden mit unserer Umgebung leben. Es scheint eine große Herausforderung zu sein, unseren Glauben im Miteinander wirken zu lassen. So ist der Mensch nicht für einsame Berghütten geschaffen, sondern auf das Du hin angelegt: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Hilfe schaffen als sein Gegenüber.“ (1.Mose 2,29). Gott wollte dem Menschen also jemand zur Seite stellen, der oder die zum ihm passte. Biologisch, seelisch und verstandesmäßig leben wir vom Gegenüber, dem Austausch, dem Feedback, der Anerkennung und der Hilfe des oder der anderen. Auch die Entwicklung der Sprache zeugt von dem Bezug zum Gegenüber, auf einer einsamen Berghütte bräuchten wir sie nicht.

Ideal wäre also, wir würden uns an den Händen fassen, eine lange Kette bilden, Hand in Hand arbeiten, einander unterstützen, füreinander da sein. Der reale Zustand sieht oft anders aus. Statt eine Kette Hand in Hand zu bilden, entstehen Knoten. Wir sind ineinander verstrickt, engen uns ein, können unsere Verknotungen nicht lösen, verweigern einander die Hand und gehen eigene Wege. 

In diesen realen Knoten-Zustand spricht die Jahreslosung 2015:

Römer 15,7
Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.

Paulus schreibt diesen Satz der Gemeinde in Rom, die gerade miteinander verknotet ist und in der einige den Handschlag verweigern. Seine Strategie ist, eine stabile Grundlage zu schaffen, dass der Ursprungsknoten gelöst, die Ursprungsverletzung in der Gemeinschaft geheilt werden kann. Er doktert nicht an den Symptomen des Urspungsknotens herum, die vielen kleinen Knoten, die sich daraus entwickelten, sondern geht in die Tiefe.

Vorbild ist Jesus Christus

Jesus lebte für Beziehungen. Er schaute nicht zuerst auf seine eigene Anerkennung und ob er gut durchs Leben kam, sondern kümmerte sich um andere, besonders um die mit Todesdiagnose. Denn Sein-Wollen-wie-Gott führt zum Tod. Diese Haltung hat eine Kehrseite: Wer sein Leben nicht selbst auf die Reihe bringt und nicht auf Gott hoffen kann, verzweifelt. Als einziger Ausweg scheint zu bleiben, das Leben wegzuwerfen. Beide Krankheiten, das Wie-Gott-sein-Wollen und die Verzweiflung sind tödliche Krankheiten. Jesus schrieb die Krankenakten auf seinen Namen um. Ihren Tod nahm er auf sich und durchlitt ihn, damit die Todeskandidaten leben konnten. Merkwürdig, dass nicht alle Menschen dieses Angebot annahmen und bis heute annehmen. Stattdessen halten sie ihre Krankenakten mit großer Kraftanstrengung fest und bestehen partout darauf, die Konsequenzen selbst zu tragen. 

Wenn wir Jesus in unser Leben lassen, wird er uns helfen, den Ursprungsknoten zu entwirren. Er wird uns in die Liebe des Vaters im Himmel rufen und uns zusagen, dass nichts uns von dieser Liebe trennen wird. Von diesem Ausgangspunkt wird er Knoten um Knoten lösen helfen. 

Die Jahreslosung stellt uns zuerst diese Frage: Willst du zugeben, dass du Jesus für dein Leben brauchst, weil du nicht vollkommen bist? Oder willst du wie ein Kind darauf bestehen, „alleine, alleine“ dein Leben zu regeln? Dann wird der Ursprungsknoten nicht gelöst werden können, und alles Annehmen des anderen wird anstrengend und schwierig. 

Auswirkungen

Angenommen von Jesus, von der Liebe Gottes durchströmt, wird der Blick auf das Du gelenkt. Was brauchst du von mir? Wie kann ich dir zeigen, dass ich dich annehme, so, wie du bist? Das fällt erfahrungsmäßig leichter bei den Fernen und schwerer bei denen, die in unserer unmittelbaren Umgebung leben. Sie wollen wir viel eher umerziehen, uns ähnlich machen und haben große Schwierigkeiten, sie in ihrer Andersartigkeit stehen zu lassen. Das Annehmen ist allerdings Voraussetzung dafür, dass unser Gegenüber Gottes Liebe erfahren kann. Wie soll er oder sie Jesus vertrauen, dass er ihn oder sie bedingungslos liebt, wenn das der Bote Jesu gar nicht tut? So wird hier klar, dass Annahme eine Schlüsselkompetenz ist, um Menschen in die Gemeinschaft mit Jesus einzuladen. Wir brauchen zuerst diese Fähigkeit, bevor wir nur ein Wort von unserem Glauben weiterzugeben brauchen.

Um Annahme anschaulich werden zu lassen, habe ich ein paar Verkehrsschilder ausgewählt.

Das Stopp-Schild

Annahme beginnt nicht mit dem Tun, sondern mit dem Lassen. „Wenn jemand sich einbildet, Gott zu ehren, aber seine Zunge nicht im Zaum halten kann, ist seine Gottesverehrung wertlos, und er betrügt sich selbst.“ (Jakobus 1,26) Vor unserem eigenen Reden ist es gut, wir haben ein kleines Stopp-Schild im Kopf. Wer selbst redet, nimmt den anderen nicht oder kaum wahr. Der andere ist nur Projektionsfläche der eigenen Gedanken und Erlebnisse. Das Zuhören dagegen öffnet zum Du. Wie geht es dir? Was bewegt dich und wo brauchst du mich? Knoten im Miteinander lassen sich lösen, wo wir einander zuhören, uns ineinander einfühlen, unser eigenes Fadenende locker lassen. Knoten werden fester, wenn jeder an seinem Schnurende zieht mit seinen Ich-Botschaften und seinem Recht-Haben.

Das Schild für Sehenswürdigkeiten

An der Autobahn lese ich häufig diese Schilder für Sehenswürdigkeiten.  Sie reizen zu einem kleinen Abstecher vom schnellsten Weg zum Ziel. Brauchen wir nicht gerade solche Abstecher für unser Miteinander? Um Gemeindearbeit effektiv zu gestalten, sind Sitzungen sicher nötig. Aber fast noch wichtiger ist Vertrauen zueinander, einander zu kennen auch in unterschiedlichen Lebenssituationen und zusammenzuhalten, wo einer allein nichts ausrichten kann. Diese Verhaltensweisen lernen wir nicht in Strategiesitzungen und durch To-Do-Listen, sondern an Aussichtspunkten, wo wir uns zweckfrei begegnen und Gemeinsames erleben. Wenn wir unser neues Jahr anschauen, brauchen wir solche „Picknick“-Zeiten miteinander, absichtslose Stunden, Freiräume, um Vertrauen wachsen zu lassen. 
Das gilt nicht nur für Gemeindebeziehungen. „Picknick“-Stunden mit unseren Arbeitskollegen, Nachbarn und Freunden ermöglichen uns, sie besser kennenzulernen und für sie da zu sein, wenn einmal Not bei ihnen sein sollte. „Die Freude am Herrn ist eure Stärke.“ (Nehemia 8,10) So sagte es Nehemia dem Volk, das miteinander die Einweihung der Stadtmauer feierte.

Achtung Baustelle

Einen für die Betroffenen sehr peinlichen Satz schrieb Paulus zwei Frauen der Gemeinde in Philippi: „Ich ermahne Evodia und Synthyche, dass sie sich als Schwestern im Glauben vertragen.“ (Philipper 4,2) Beziehungen müssen gepflegt werden. Offenbar ist es den beiden Frauen damals nicht geglückt, friedlich miteinander umzugehen. Sie vergifteten durch ihren Streit die Atmosphäre der ganzen Gemeinde. Wir wissen nicht, ob sie den Streit öffentlich austrugen oder eher so, wie bei uns üblich: Man tapeziert jahrelang über verschimmelte Wände und wundert sich, dass die Tapeten sich regelmäßig lösen. Paulus weist darauf hin, dass Konflikte bearbeitet werden müssen. Und das beginnt gemäß unserer Jahreslosung mit dem gegenseitigen Respektieren, dem Stehen Lassen und dem Wertschätzen der Stärken des anderen bzw. dem Mittragen seiner Schwächen.

Straßensperrung

Jesus begegnete einem reichen jungen Mann, der wissen wollte, wie er auf Gottes Seite kommen konnte. Jesus riet ihm, all seinen Besitz zu verschenken. Der junge Mann wollte das nicht. Er ging traurig davon (Markus 10,22). Jesus ließ diesen Mann ziehen. Er machte ihm keinen Druck und kein schlechtes Gewissen. Er lief ihm nicht nach. Auch wir müssen manchmal akzeptieren, dass Wege sich trennen und für uns eine Straße gesperrt wird. Das muss nicht für immer so bleiben. Vielleicht ist der junge Mann später doch noch ein Nachfolger geworden. Und wir können darum beten, dass Menschen, die wir ziehen lassen mussten, doch wieder unsere Wege kreuzen, wir die Chance auf ein neues Miteinander haben.

Arbeiten am Seitenstreifen

Jesus schaute nicht nur auf die Menschen, die direkt auf seinem Weg waren. Er ließ seinen Blick auch zu denen schweifen, die am Rande standen wie Zachäus, der sogar auf einem Baum saß (Lukas 19,1-10). Wir sind im neuen Jahr herausgefordert, auch die anzunehmen, die nicht direkt in unserem unmittelbaren Lebenskreis sind, sondern ein bisschen im Windschatten leben. Hilfreich ist auch hier, Zeit dafür zu haben. Eine Viertelstunde täglich für Leute am Seitenstreifen ist aufs Jahr gerechnet schon eine ganze Menge, ca. 90 Stunden.

Einander annehmen – das ist die Jahreslosung für 2015 und auch für uns als Brombacher Gemeinde ein Motto, das besonders die erste Jahreshälfte prägen wird. Denn unseren ZDF-Gottesdienst am 19.7.2015 werden wir auch unter das Thema „Beziehungen“ stellen. Die Bibel ist voll von Anregungen und hilfreichen Straßenschildern. Sie gilt es zu entdecken und zu beherzigen.

Beziehungen zu gestalten und einander anzunehmen ist eine Form, Gott zu ehren – „zu Gottes Lob“. Er gibt das Gelingen dazu, wie es kurz vorher in Römer 15,5 heißt: „Gott, der Geduld und Mut schenkt, gebe euch, dass ihr alle in der gleichen Gesinnung miteinander verbunden seid, so wie es Jesus Christus gemäß ist.“ 

Hand in Hand und Jesus in der Mitte ohne Knoten und Verweigerung, so wollen wir mit Gottes Hilfe 2015 unterwegs sein.

Cornelia Trick


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