Ein Fenster wird geöffnet
Gottesdienst am 31.12.2003

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
Ein Mann kommt mit einem Wäschebündel zu einem Geschäft, über dessen Eingang steht: "Hier wird Wäsche gewaschen und gebügelt." Er tritt ein und legt sein Wäschebündel auf die Theke, in der Annahme, dass er eine Wäscherei betreten hat. Der Verkäufer antwortet: "Sie irren sich, hier werden nur Schilder hergestellt mit der Aufschrift "Hier wird Wäsche gewaschen und gebügelt."

Wie sieht es bei uns an diesem Altjahresabend aus? Haben wir im vergangenen Jahr das gelebt, von dem wir überzeugt sind, oder haben wir Schilder aufgestellt mit der Aufschrift "Hier wird christlich gelebt"?

Wie wird es im neuen Jahr mit uns weitergehen? Werden wir neue Schilder aufstellen mit Aussagen, die uns vor allem für andere wichtig sind, oder sind wir gespannt auf die Veränderungen, zu denen Jesus Christus uns bewegen will?

Bevor wir für uns ganz persönlich die Jahresbilanz ziehen und neue Vorsätze für 2004 treffen, hilft uns ein Blick auf die zentralen Aussagen des christlichen Glaubens. Sie haben die Kraft, unseren Blick von uns weg auf Jesus zu richten und so mit ihm das Alte abzuschließen und ein neues Kapitel aufzuschlagen.

Im Brief an die Römer stimmte Paulus ein großes Loblied auf Jesus Christus an. Er pries Gottes Liebe, die in Jesus für alle sichtbar geworden ist. Er antwortete damit auf die Begegnung mit Jesus, die sein Leben von Grund auf verändert hatte. Als Jesus ihm in den Weg trat, sah Paulus sein Leben in einem neuen Licht. Er erkannte, wie er sich von Gottes Willen entfernt hatte. Er wollte Jesus bekämpfen, der ihn mit seiner Liebe umfing. Obwohl er diese Liebe mit Füßen getreten hatte, gab Jesus ihm eine neue Chance, dieser Liebe zu trauen und umzukehren. Paulus ergriff diese entgegengestreckte Hand und erfuhr, dass sie ihn wirklich hielt. Kein Wunder, dass er auch in seinem Brief an die Gemeinde in Rom ein Loblied anstimmte und die Gemeindeglieder einlud, in dieses Lob mit einzufallen.

Römer 8,31-39

Was wollen wir nun hierzu sagen? Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein? Der auch  seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben - wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht. Wer will verdammen? Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und  uns vertritt. Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? Wie geschrieben steht (Psalm 44,23): "Um deinetwillen  werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie Schlachtschafe." Aber  in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch  Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.

Paulus formuliert für uns sowohl den Jahresabschluss als auch die Zukunftsplanung. Seine Worte gelten im Blick auf die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Zweimal spricht er davon, dass nichts uns scheiden kann von Gottes Liebe und damit von Jesus, dem Menschen, der Gottes Liebe handgreiflich gemacht hat. Dass Jesus sich nicht von uns scheiden lässt, bedeutet zweierlei.

Zum einen wird deutlich, dass Jesus uns nicht aus seinem Kraftfeld entlässt. Er hat versprochen, alle Tage bei seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern zu sein, und dieses Versprechen hält er gewiss. Wie ein Verteidiger steht er zu uns und tritt für uns ein. Kein Urteilsspruch kann uns von ihm trennen.

Zum andern scheint es nötig zu sein, uns daran zu erinnern, dass Jesus sich nicht scheiden lässt. Denn für uns gibt es viele Gelegenheiten zur Untreue. Paulus zählt Situationen auf, die gut in die Zeit der Christenverfolgungen passen bis hin zur Todesstrafe. Wenn der Glaube an Jesus zur Konsequenz hat, dass man verachtet, verfolgt und getötet wird, ist die Liebe Gottes nicht so klar zu erkennen. Es liegt nahe, dem Glauben abzusagen und das eigene Leben zu retten. Dem hält Paulus entgegen, dass Gottes Liebe auch den Tod überdauert und selbst der niemand aus Gottes Hand reißen kann.

Wie können wir aber die Situationen von damals auf unser Leben hier und heute übertragen? Ich meine, dass es auch in unserem Alltag besondere Herausforderungen gibt, die unseren Glauben ins Wanken bringen. Es sind Leidenszeiten, die an der Liebe Gottes in Jesus zweifeln lassen. Eine Krankheit kann zu einer tiefen Vertrauenskrise führen, eine Beziehungskrise kann von Gott weg bringen, der Verlust des Arbeitsplatzes kann alles vorher Geglaubte in Unordnung geraten lassen. Eine Schuld, die jemand auf sich geladen hat, kann für ihn ein Grund sein, die Nähe Jesu zu meiden. Ungehorsam lässt von Jesus weggehen, man will seinen Lebensstil nicht ändern, weiß aber, dass Jesus das eigentlich erwartet. Also hält man sich von ihm fern.

Diese Ereignisse, die in unserem Leben mehr oder weniger auftreten, üben eine Sogwirkung aus. Sie haben Macht über uns und ziehen uns mit Gewalt, doch oft kaum merklich von Jesus fort. Zuerst bröckelt das Vertrauen. "Wenn Jesus mich in eine solche Krise schliddern lässt, dann kann er mich nicht lieb haben. Dann kann ich ihm nicht trauen." "Wenn Jesus merkt, dass ich mich mit meinen Taten bewusst gegen ihn entscheide, dann kann er nicht mehr zu mir halten. Dann muss ich es in Kauf nehmen, dass er mich gehen lässt." So liest man nicht mehr so häufig in der Bibel, denn man erwartet nichts mehr von Jesus. Die Zeit mit ihm wird rarer, das Gebet oberflächlich, die Haltung zynisch. Andere spüren das, sie wollen helfen, verfallen aber dabei oft in den Fehler, die Konflikte schön zu reden nach dem Motto "Es wird alles wieder gut werden." Helfen können solche Aussagen dem Zweifelnden nicht. Wenn dann nicht ein Wunder geschieht, dass Jesus sich diesem verunsicherten Menschen erfahrbar in den Weg stellt, kann die Schlussfolgerung lauten: "Der kann mir nicht helfen, mit dem bin ich fertig". Doch Paulus ruft uns mit seinem Lobgesang zu, dass selbst in diesem Moment Jesus nicht mit uns fertig ist. Er stimmt der Scheidung nicht zu. Er liebt weiter und wartet auf die Umkehr und den neuen Anfang.

Das Geheimnis für einen neuen Anfang steckt im Lobgesang selbst. Paulus ermutigt uns, selbst in seine Worte einzustimmen und uns von ihnen mitnehmen zu lassen. Wenn wir sie singen, ist es, als wenn ein Fenster in einem stickigen Raum geöffnet wird, Ein offenes Fenstersie heilen unsere Seele. Die eigenen Probleme können uns nicht länger den Atem rauben, weil Gottes Kraft mitten in unser Leben strömt und unsere Probleme verändert.

Wir können heute Abend die zurück liegenden Monate bedenken. Wir werden auf Situationen stoßen, in denen wir gefangen waren von Mächten und Gewalten, die uns in eine Vertrauenskrise gestoßen haben. Vielleicht sind wir von Jesus weg gerannt, haben uns enttäuscht abgewandt, weil wir meinten, dass er nicht helfen konnte. Dann möge das Loblied auf Jesu Treue ein Fenster der Hoffnung aufstoßen, um einen neuen Anfang zu machen und darauf zu bauen, dass es nie eine Scheidung von Jesu Seite gegeben hatte.

Vielleicht liegen aber auch Erfahrungen hinter uns, dass Jesus wirklich zu uns hielt, obwohl viel dagegen sprach, dann dürfen wir dieses Loblied voller Dankbarkeit singen als eine neue Bestätigung, dass er liebt auch in Zeiten der Not und der dunklen Täler.

Das Loblied auf Gottes Treue stößt auch ein Fenster in die Zukunft auf. Wir brauchen keine Schilder herzustellen, wie ein Christ aussieht. Wir können selbst mit Jesus leben, dass andere das an uns erkennen - auch ohne Schilder. Denn Jesus hat höchstes Interesse an uns, er setzt sich mit seinem Leben und seinem Tod für uns ein, um uns aus den Mächten und Gewalten zu erlösen und uns wieder neu unter Gottes Schutz zu stellen.

So ist ein erster Schritt in das neue Jahr, ihn an uns heranzulassen. Denn erst, wenn wir uns ihm öffnen, ihn in unser Leben hinein reden lassen, wird uns aufgehen, wo wir uns in Schuld und Rechthaberei verstrickt haben, wie wir getrieben waren von unseren Verletzungen und unserem Stolz.

Ein weiterer Schritt in die Zukunft ist ein offenes Gespräch mit ihm. Wir können ihm unsere Situation ausbreiten. "Herr, ich habe Angst um meine Zukunft, ich fühle mich haltlos und allein. Bitte nimm dich meiner an und zeige mir, dass du wirklich da bist."

Ein nächster Schritt ist, den Mächten und Gewalten nicht das letzte Wort zu lassen. Wir können die Tage im Jahr 2004 beginnen mit dem Gebet um inneren Frieden und um einen starken Glauben. Gebet hilft über die Vertrauenskrisen hinweg, denn genau das will Jesus uns ja schenken: Frieden und Glauben.

Der weitere Schritt besteht darin, gehorsam zu sein als Dank für seine Treue. Vielleicht ist Gehorsam ein etwas abgegriffenes Wort. Man stellt sich leicht einen Untertan vor, der Befehle blindlings erfüllt. Aber Jesus gehorsam zu sein meint etwas anderes, nämlich uns an ihn zu halten und ihn in der konkreten Situation nach seinem Willen zu fragen.

Noch ein Schritt ist mir im neuen Jahr wichtig, dass wir das Loblied auf Gottes Treue in der Gemeinde miteinander singen. Da kann es Zeiten und Gelegenheiten geben, an denen wir uns dieses Lob gegenseitig zusingen. Da kann es sein, dass wir stellvertretend füreinander singen, wenn jemand selbst den Zuspruch braucht. Da werden wir vielstimmig singen, denn unsere vielfältigen Erfahrungen der Treue Gottes kommen im Singen zusammen. Da können wir das Loblied im Kanon singen. Denn wir werden zu unterschiedlichen Zeiten die Treue Gottes bezeugen. 

Das Jahr 2004 ist eine neue Chance, die Treue und Liebe Gottes in Jesus Christus im Alltag zu erfahren und zu leben. Wir sollten uns darin üben, mit Christus zu leben und die Schilderwerkstatt mit christlichen Aussagen jeder Art getrost zu schließen.

Herr, gib den starken Glauben mir, der Berg und Tal bewegen kann, gib, dass ich ganz gehöre dir, zünd deine Liebe in mir an; gib, dass sie ganz mein Herz erfüllt, die Liebe, die dem Sünder gilt. (Charles Wesley, 1749)

Cornelia Trick


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