Gottesdienst am 16.11.2003
Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
"Bist du bereit für Gott?" Diese Frage
stellt die Bibel von der ersten bis zur letzten Seite. Das mag überraschen.
Wir sind es doch eher gewohnt, Gott zu bitten, dass er bereit ist für
uns. Wir haben unsere Anliegen, unsere Probleme, unsere Herzenswünsche
und Gott soll sich ihrer annehmen. Wir laufen in eine bestimmte Richtung,
wählen einen Beruf, einen Ehepartner, treffen eine große finanzielle
Entscheidung. Gott soll sich darum kümmern und alles gerade biegen,
wenn wir nicht weiter kommen. Aber ob wir bereit sind für Gott, das
beschäftigt uns selten oder nie. Dabei leuchtet es doch ein. Gott
hat für unser Leben gesorgt, uns gewollt, uns ins Leben gerufen. Er
wartet auf uns, unsere Antwort auf sein Ja, unsere Aktivität, unser
Engagement. Er wartet, dass wir ihm vertrauen und weiter mit ihm gehen.
Er möchte unseren Weg leiten, aber wir sind sehr damit beschäftigt,
den Weg erst neu zu erfinden und drehen uns dabei nur zu oft im Kreis.
Bist du bereit für Gott? Angesichts des
heutigen Volkstrauertags und der Erinnerung an die Endlichkeit des Lebens
ist es sicher nicht verkehrt, sich auf die Frage einzulassen, sie ehrlich
zu beantworten. Dazu können uns drei etwas überzeichnete Beispiele
helfen. Vielleicht finden wir uns darin wieder, vielleicht spüren
wir aus diesen Beispielen die Not, nicht wirklich bereit zu sein für
Gott. Dann ist es Zeit, eine neue persönliche Antwort zu formulieren.
-
Der Überstunden-Christ. Er hört die Frage
und er beschließt, nun unaufhörlich bereit zu sein für
Gott. Er wird getrieben von dem Bedürfnis, nur ja nicht untätig
angetroffen zu werden. Er denkt sich alle möglichen Aktionen aus,
mit denen er Gott gefallen kann und die zeigen, wie bereit er für
Gott ist. Allerdings wirkt er nicht glücklich dabei, sondern verkrampft
und verbissen. Oft plagen ihn Schuldgefühle, doch nicht genug für
Gott getan zu haben. Seine Umgebung erlebt ihn als lieblos, überfordert,
immer gehetzt. Er ähnelt dem jungen Martin Luther, der sich geißelte,
weil er fürchtete, dass Gott ihm mangelnde Gottesfurcht ankreiden
würde. Er ähnelt auch dem jungen John Wesley, der fastete und
sich selbst das Äußerste abverlangte, weil er Angst hatte, vor
Gottes Gericht nicht bestehen zu können. Würde man den rastlosen
Typ fragen: Bist du bereit für Gott? So würde er antworten: Noch
nicht, aber bald bin ich soweit.
-
Die Schnäppchen-Christin. Ihr merkt man nicht
an, dass sie Christin ist. Sie tanzt auf jeder Party mit. Sie ist überall,
wo es etwas zu holen gibt. Sie lebt nach dem Motto, nur nichts verpassen,
was mir etwas bringt. Andere nennen sie auch die "Frau ohne Eigenschaften",
weil sie sich anpasst bis zur Unkenntlichkeit. Christliche Angebote nimmt
sie gerne wahr. Eine Krabbelgruppe für die Kinder, ein christlicher
Kindergarten am besten bis in die frühen Abendstunden wegen der Werte,
die dort vermittelt werden, eine stilvolle Taufe der Kinder, eine gute
soziale Fürsorge der Kirche, das alles will sie nicht missen. Aber
die Frage: Bist du bereit für Gott? Die kann sie nicht beantworten,
weil sie sie gar nicht versteht. Will Gott denn etwas von ihr?
-
Der Hamster-Christ. Er kann sich einfach von nichts
trennen. Er sammelt alte Geschichten, alte Beziehungen, alte Erfahrungen
und trägt sie mit sich herum. Seit er Christ ist, hat er zu seinen
vielen anderen Lebensentwürfen noch einen mehr dazu getan. Mit Christus
zu leben, ist für ihn wichtig, aber es gibt eben noch vieles andere
Wichtige, das er mit sich herum schleppt und von dem er sich nicht trennen
kann. Er wäre gerne jeden Sonntag im Gottesdienst, aber seine früheren
Verpflichtungen kann er nicht abstreifen. Er würde gerne mehr in der
Bibel lesen, aber dazu kommt er nicht, weil da noch andere Termine sind,
die er nicht verpassen darf. Er ist oft zerknirscht und traurig, wenn er
gefragt wird, ob er bereit ist, für Gott da zu sein. Er merkt, dass
er das zwar mit Ja beantworten will, aber es daran scheitert, dass er sich
von allen anderen Jas nicht distanzieren kann.
Wo finden wir uns wieder? Irgendwo in der Mitte
zwischen den Extremen wahrscheinlich. Ein Christ, der sehr bestimmt diese
Aufforderung zur Bereitschaft gehört hatte, war der Apostel Paulus.
Ihn will ich jetzt bei der Beantwortung der Frage von der Bibel her zu
Wort kommen lassen.
Philipper 3,12-16
Ich meine nicht, dass ich schon vollkommen bin und
das Ziel erreicht habe. Ich laufe aber auf das Ziel zu, um es zu ergreifen,
nachdem Jesus Christus von mir Besitz ergriffen hat. Ich bilde mir
nicht ein, Brüder und Schwestern, dass ich es schon geschafft habe.
Aber die Entscheidung ist gefallen! Ich lasse alles hinter mir und sehe
nur noch, was vor mir liegt. Ich halte geradewegs auf das Ziel zu, um den
Siegespreis zu gewinnen. Dieser Preis ist das ewige Leben, zu dem Gott
mich durch Jesus Christus berufen hat. So wollen wir denken - wenn wir
uns zu den 'Vollkommenen' zählen. Wenn ihr in irgendeiner Einzelheit
anderer Meinung seid, wird euch Gott auch das noch offenbaren. Aber lasst
uns auf jeden Fall auf dem Weg bleiben, den wir als richtig erkannt haben.
Paulus macht vier wichtige Aussagen:
-
Jesus Christus hat mich ergriffen
-
Jesus Christus gibt mir ein klares Ziel
-
Ich laufe dem Ziel entschlossen entgegen
-
Ich lasse alles hinter mir, was mich vom Laufen
abhält
Jesus Christus hat
mich ergriffen
Paulus zeigt uns mit seiner eigenen Lebensgeschichte,
was es heißt, von Christus ergriffen zu werden. Als Christenverfolger
war er unterwegs, eine solche Verfolgung in der Stadt Damaskus durchzuführen.
Auf dem Weg dorthin trat ihm Jesus, der Auferstandene, in den Weg. Paulus
wurde durch dieses Erlebnis überwältigt und überzeugt, dass
Jesus nicht ein Guru war, der Juden von Gott wegbrachte, sondern dass Jesus
Gottes Sohn ist und lebt (Apostelgeschichte
9,1-20). So von Jesus Christus ergriffen zu werden, ist sicher nicht
der Regelfall. Aber für Paulus, dem radikalen religiösen Fanatiker
war es ein sehr deutliches Stopp-Schild, um seine Richtung zu ändern.
Was wir aus dieser Jesusbegegnung lernen können
ist, dass Jesus den Anfang macht. Er hat unbedingtes Interesse daran, dass
Menschen ihn kennen lernen. Er stellt sich in den Weg, er unterbricht uns
in unserem Alltag und er gibt sich zu erkennen. Mit Jesus zu beginnen und
durch ihn auf Gott aufmerksam zu werden, geht auf seine Initiative zurück.
Sein Ergreifen ändert uns und schenkt uns einen neuen Blickwinkel.
Weg von der Frage "Was wird aus mir?" Und hin zu der Frage "Bin ich bereit
für Gott?"
Ergriffen zu werden von Jesus Christus ist kein
einmaliger Akt am Anfang unserer Geschichte mit Gott. In unserem Alltag
geschieht das immer wieder. Manche erzählen nach einem besonderen
Erlebnis, dass sie "ganz ergriffen" waren. Sie singen Lieder im Gottesdienst
und sind ergriffen, sie beten und erfahren Fürbitte, sie bekommen
Hilfe, die sie nicht erwartet haben, sie dürfen Zeiten der Ruhe und
Stille genießen, die ihnen einfach geschenkt werden. Dies alles sind
Gelegenheiten, in denen uns Jesus Christus ergreift, auf sich aufmerksam
macht, uns sensibel macht für ihn und seine Gegenwart. Vielleicht
sollten wir in dieser Woche genau hinsehen, wo wir ergriffen werden und
diese Situationen für uns festhalten als eine neue Ausrichtung auf
Gott.
Der Überstunden-Christ hat genau diese Erfahrung
nicht gemacht. Er ist nicht ergriffen worden, sondern läuft ewig Gott
hinterher, den er ergreifen will durch seine Anständigkeit und seine
guten Taten. Wenn wir uns in diesem Typ wiedererkennen, dann sollten wir
Jesus Raum geben, uns zu ergreifen und darauf achten, wo er uns schon längst
begegnet ist.
Jesus Christus gibt mir
ein klares Ziel
Ergriffen zu sein ist nicht nur ein Gefühlszustand,
der uns aus dem Normalen heraus holt, sondern eine neue Zielbestimmung.
Paulus erlebte das wie ein Sportler. Ihm wurde wie einem Sportler vom Trainer
versprochen, dass am Ende - übertragen - olympisches Gold auf ihn
wartete. Der Preis, mit Gott in Ewigkeit vereint zu sein, war Paulus so
wichtig, dass er alles dafür auf eine Karte setzte.
Ich frage mich, ob das bei uns auch so ist. Würden
wir als unser Lebensziel die Ewigkeit im Reich Gottes nennen? Sicher, wir
wissen, dass wir darauf zuleben, aber bestimmt es auch unsere kleinen Etappenziele?
Werden nicht vielmehr die kleinen Etappenziele so riesig groß, dass
sie den Blick auf das eigentliche versperren? Gegen Schulabschluss, Beruf,
Familiengründung, Ruhestand, kleine und große Feste verblasst
die Ewigkeit. Und doch werden wir von Paulus ermutigt, das eigentliche
Ziel stärker in den Blick zu nehmen, uns die kleinen Ziele nicht von
dem großen Ziel ablenken zu lassen.
Die Schnäppchen-Christin kennt kein klares
Ziel. Sie ist der Meinung, dass das Ziel ist, möglichst gut durch
das Leben zu kommen. Sie schwimmt mit den Strömungen der Zeit mit
und verliert sich dabei selbst. Wüsste sie um das Ziel, dann hätte
sie Orientierung, was sie zu tun und zu lassen hat. Wer hat versäumt,
ihr von diesem Ziel zu erzählen? Oder wollte sie nicht hinhören,
weil sie sich nicht festlegen wollte?
Ich laufe dem Ziel entschlossen
entgegen
Das große Ziel bestimmt unser Verhalten in
der Gegenwart und ist unser Maßstab. Eine Teilnahme bei den olympischen
Spielen motiviert zum Training und führt zu einer Lebensweise, die
ganz zielorientiert auf die Goldmedaille ausgerichtet ist. So sollte unser
Alltag auch von dem großen Ziel beeinflusst werden. Es geht nicht
um weniger als um die Goldmedaille. Training im Alltag, das kann heißen:
-
Wir werden andere einladen, sich von Jesus ergreifen
zu lassen, weil auch sie dieses große Ziel erreichen können.
-
Wir werden anderen helfen, weil wir auf Gottes Hilfe
in Ewigkeit vertrauen.
-
Wir werden uns für den Frieden stark machen,
wo immer er bedroht ist, weil das vom Ziel her schon in unsere Gegenwart
leuchtet.
-
Wir werden in Liebe unseren Weg gehen, weil Jesus
uns mit dieser Liebe begleitet.
Ich lasse alles hinter
mir, was mich vom Laufen abhält
Bei Paulus war die Lebenswende eindeutig, er hatte
alles abgelegt, was zu seiner Vergangenheit als Christenverfolger gehörte.
Alte Geschichten hingen ihm nicht mehr nach.
Aber ist das bei uns auch so? Sind wir so radikal
vom schwarzen auf ein weißes Feld gesetzt worden? Und haben wir dann
wirklich manches aus unserem Leben auf den Müll geschmissen, statt
es endlos mitzuschleppen? Und da ist einiges, was sich ansammelt und wie
ein Ballast festhält:
-
eine Bequemlichkeit, die mich lieber auf dem Sofa
sitzen lässt, statt einen Hausbesuch zu machen;
-
die mich auf der Parkbank lieber dösen lässt,
statt mit Gott zu reden;
-
die mich sonntags im Bett festhält und mir
ausredet, dass der Gottesdienst wichtig für mich ist;
-
meine Freunde, Kollegen, Bekannten, die anders leben
als ich. Obwohl ich merke, dass ihr Lebensstil nicht zu meinen christlichen
Überzeugungen passt, bin ich von ihnen angezogen, kann mich nicht
von ihnen trennen. Dass ich sie mit dem Evangelium bekannt mache, das ist
nur ein Vorwand, um in ihre Welt einzutauchen. Ich möchte eigentlich
auch so sein wie sie;
-
eine Vergangenheit, die mich nicht zur Ruhe kommen
lässt. Da sind Verletzungen, die mich bitter werden ließen und
nicht geheilt sind. Immer wieder kommen sie an die Oberfläche, ich
kann sie nicht vergessen. Da sind Enttäuschungen, die mir nachgehen.
Der Glaube an Jesus Christus hat keine Kraft zu heilen. Die Vergangenheit
lasse ich nicht los;
-
andere Weltanschauungen, die ich als Ergänzung
hinzu nehme, wo sie in mein Weltbild passen. Wo ich nicht nur die Goldmedaille
bei Olympia im Auge habe, sondern auch noch die Miss Germany-Wahl, wird
mein Lauf in Richtung Olympia zögerlich. Ich könnte zu kräftige
Beine bekommen, die meine Chancen bei der Miss-Wahl deutlich verringern
würden. So geht es auch, wenn zu dem Glauben an Jesus Christus noch
Horoskope und anderes gemischt werden. Der Glaube an Jesus wird beliebig,
er verliert an Zugkraft, das Ziel rückt aus dem Blickfeld.
Der Hamster-Christ hat nicht begriffen, seinen Ballast
abzuwerfen und sich ganz auf das Ziel zu konzentrieren. Wahrscheinlich
haben wir ja alle etwas von einem Hamster. Dann sollten wir unsere Vorratskammern
an alten Geschichten mal schleunigst räumen, um frei zu werden für
Gottes Frage "Bist du bereit für mich?"
Paulus ermutigt uns, auf dem Weg zu bleiben,
den wir schon eingeschlagen haben. Er ermutigt uns, nicht vom Weg abzukommen
und uns um den Siegespreis, die Ewigkeit mit ihm zu bringen. Jesus will
uns diesen Preis schenken und er tut alles dafür, dass wir unterwegs
nicht den Mut und die Kraft verlieren.
Es ist Vorweihnachtszeit. Die Eltern werden dem
Kind ein wunderschönes blaues Fahrrad zu Weihnachten schenken. Doch
das Kind hat dieses Fahrrad gar nicht auf dem Wunschzettel. Es hat aufgeschrieben:
Pokemon-Karten, eine neue Barbie-Puppe, Süßigkeiten, eine Diddl-Maus.
Was machen die Eltern? Sie laufen "zufällig" mit dem Kind am Schaufenster
eines Radgeschäfts vorbei und schwärmen vom Fahrradfahren, sie
machen dem Kind Fahrradfahren schmackhaft, sie bringen immer wieder das
Gespräch darauf. Und kurz vor Weihnachten wünscht sich das Kind
tatsächlich ein blaues Fahrrad - und freut sich unbändig, als
es das Fahrrad - viel schöner als erwartet - unter dem Weihnachtsbaum
findet.
So macht Gott es vielleicht auch mit der Ewigkeit.
Er will sie uns schenken, sie ist bereit für uns, wir müssen
nur noch überzeugt werden, dass wir sie uns wirklich wünschen.
Sind wir bereit?
Cornelia
Trick
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