Anleitung zur Freude (Philipper 4,4-7)
Gottesdienst am 15.11.2020

Liebe Gemeinde,
mit Kollegen traf ich mich in einer Videokonferenz. Wir tauschten uns aus über unser Erleben. Sehr bald hatten wir alle Problemfelder dieser Tage zusammen. Wir vermissten unsere Gemeindegruppen, die gerade nicht stattfinden können. Wir sorgten uns, wie es mit den Kindergruppen weitergehen konnte. Wir trauerten um das, was in diesen Monaten verlorengegangen ist. Da hakte eine nach und fragte: „Was gibt euch denn Hoffnung? Wo seht ihr Licht?“

Als ich im Brief des Paulus an die Philipper las, wurde ich an diese Videokonferenz erinnert. Wahrscheinlich waren die Philipper ähnlich drauf wie wir. Sie hatten anstrengende Zeiten hinter sich, es gab Konflikte zwischen einzelnen Personen, die Paulus kurz zuvor sogar beim Namen nannte. Vielleicht hatte er den Eindruck, er müsste die Philipper aufrichten, ihnen helfen, aus dem Klein-Klein des Alltags herauszufinden, um wieder neu das Besondere ihrer Gottesbeziehung zu feiern. 

Jedenfalls gab Paulus zum Ende seines Briefes ein paar Stichworte, Aufforderungen, die auch uns heute helfen können.

Philipper 4,4-7
Freut euch immerzu, weil ihr zum Herrn gehört! Ich sage es noch einmal: Freut euch! Alle Menschen sollen merken, wie gütig ihr seid! Der Herr ist nahe! Macht euch keine Sorgen! Im Gegenteil! Wendet euch in jeder Lage an Gott. Tragt ihm eure Anliegen vor – in Gebeten und Fürbitten und voller Dankbarkeit. Und der Friede Gottes, der jede Vorstellung übertrifft, soll eure Herzen und Gedanken behüten. In der Gemeinschaft mit Jesus Christus soll er sie bewahren.

Freut euch!
Offenbar brauchten die Philipper eine Aufforderung zum Freuen. Als Grund nennt Paulus, dass sie zum Herrn gehören, mit Jesus unterwegs sind, Gott gefunden haben.

Brauchen wir nicht auch immer wieder diese Aufforderung? Zum Herrn zu gehören, ändert sich ja nicht dadurch, dass wir durch problematische Zeiten gehen oder gerade richtig genervt von unserem Alltag sind. Diese Konstante der Gottesbeziehung bleibt bestehen und möchte gerade in dunkleren Wegabschnitten aufblitzen.

Was macht mir Freude, wenn ich daran denke, zu Jesus zu gehören, so fragte ich mich. Mir ist einiges eingefallen:

  • Ich freue mich, weil ich Gottes Kind bin und er wie eine Mutter, ein Vater für mich sorgen will.
  • Ich freue mich, dass Gott mir einen Platz in dieser Welt zugedacht hat, den nur ich ausfüllen kann. Das gibt mir Sinn und Daseinsberechtigung, egal was andere dazu meinen, ob sie mich gut finden oder ablehnen.
  • Ich freue mich, dass er mich niemals alleinlässt und allein lassen wird, auch nicht in Krankheitszeiten, auch nicht im Sterben, selbst im Tod ist er da und hält mich fest.
  • Ich freue mich, dass Gott mich überrascht. An jedem Tag wartet er mit irgendeiner Kleinigkeit, um mir zu zeigen, dass er da ist und mich liebt.
  • Ich freue mich, dass Gott mir Perspektive gibt. Die geht über dieses Leben hinaus, denn das Himmelreich wartet auf mich, ein Ort der Geborgenheit und des Friedens.
Wie kann nun Freude wachsen? Ich habe festgestellt, dass ich dazu Impulse von außen brauche wie zum Beispiel diese Sätze des Philipperbriefes. Manchmal bekomme ich eine Nachricht, die mich daran erinnert. Eine Freundin ruft an, fragt, wie es mir geht, und sagt mir ein Gotteswort zu. Bei unserer Andacht am Morgen kommt mir ein Gedanke im gemeinsamen Gebet, der mich froh macht.

Freuet euch! Diese Aufforderung lässt mich wachsamer durch den Tag gehen und die Anlässe zur Freude bewusst sammeln.

Seid gütig!
Ging es beim Freuen um uns selbst, so kommt jetzt die Umgebung ins Spiel. Wir sollen uns den Mitmenschen zuwenden, gut zu ihnen sein. Denn der Herr ist nahe. Seine Güte dürfen wir ja selbst erleben, aus seinem Guten schöpfen wir. Da ist so viel Güte, dass wir sie sogar weitergeben können, ohne selbst Mangel zu haben.

Eine Nachbarin kam vor zwei Wochen mit zwei Quittenmarmelade-Gläser an den Gartenzaun. Sie wollte sie mir unbedingt schenken, denn sie wäre ununterbrochen am Marmelade Kochen, dass sie für jedes Glas froh wäre, das sie weitergeben könnte. Ein großer Quittensegen war über ihr hereingebrochen, und sie musste die Quitten verarbeiten.

So stelle ich mir das mit der Güte vor. Gottes Segen bricht über uns herein, wir werden beschenkt, und das können wir gar nicht für uns behalten. Wir müssen an unsere Zäune und es verteilen. Was es da zu verteilen gibt:

  • Ein offener, Anteil nehmender Blick, der dem Mitmenschen signalisiert: Ich habe Interesse an deinem Ergehen, du bist mir nicht egal.
  • Eine großzügige Haltung, die lieber schenkt als aufrechnet.
Eine Bekannte erzählte mir von einer Begebenheit in ihrer Jugend. Sie war bei einem Gruppentreffen und musste mit der Straßenbahn nach Hause fahren. Sie war eine der Letzten und stellte entsetzt fest, dass sie ihr Portemonnaie vergessen hatte. So wandte sie sich an den Pfarrer, der gerade abschließen wollte, und bat ihn um das Geld. Er gab es ihr auch, doch hielt er ihr dabei eine Rede, sie solle ihm unbedingt das Geld zurückgeben, es wäre nicht geschenkt. Bis heute weiß sie von diesem Gespräch, dass sie immer noch erschüttert. Ein geiziger Pfarrer passte nicht in ihr Bild. Wie anders wäre ihre Erinnerung gewesen, hätte er gesagt: Hier, das brauchst du mir nicht zurückzugeben, und ich gebe dir noch was dazu, dann kannst du dir noch ein Duplo am Kiosk kaufen. Das hätte sie sicher auch nicht vergessen und es hätte sie gelehrt, selbst großzügig anderen zu begegnen.

Auch wir als Gemeinde haben Güte weiterzugeben. Die Menschen im Ort sollen etwas davon haben, dass wir hier leben. Für dieses Jahr hatten wir geplant, zusammen mit den anderen Gemeinden Bäume zu pflanzen. Als Jungschar wollten wir Müll sammeln. Beide Aktionen müssen wir im neuen Jahr nachholen wie so vieles andere auch. Doch es sind praktische Einsätze, die deutlich machen, dass wir als Gemeinde nicht nur für uns leben und unseren Spaß haben, sondern Güte weitergeben.

Macht euch keine Sorgen!
Das ist leichter gesagt als getan. Wenn ich nachts im Bett liege und Sorgen durch meinen Kopf gehen, kann ich mir noch so oft befehlen, sie zu stoppen, sie werden mich weiterhin vom Schlafen abhalten. Im Gegenteil, sie werden sogar größer, je mehr ich sie zurückdrängen will. 

Paulus nennt hier ein anderes Rezept gegen Sorgen. Er schlägt vor, danach zu suchen, was uns dankbar macht. Und tatsächlich verändert Dankbarkeit mein Denken. Es ist, als ob ein wackliges Haus ein stabiles Fundament bekommen würde. 

Spannend ist es, dem auf die Spur zu kommen, was mich dankbar macht, übrigens eine gute Beschäftigung in schlaflosen Nächten. Ich überlege, welche Geschenke ich in der letzten Woche bekommen habe. Jemand, der mir ein liebes Wort gesagt hat. Jemand, die mich an der Kasse vorgelassen hat. Einer, der mir den Parkplatz überließ, eine, die spontan ihre Hilfe bei einem Projekt angeboten hat. Einiges kommt zusammen, wenn ich nur eine Woche zurückblicke. Ich lasse die Menschen in Gedanken an mir vorbeiziehen, denen ich in letzter Zeit begegnet bin. Da ist so viel Dankenswertes, das mir zu ihnen einfällt. Und selbst die schwierigen Begegnungen hatten ihre positiven Seiten. Ganz umfassend stelle ich mir schließlich die Frage, was mein Leben reich macht. Ist es nicht die Erfahrung, dass Gott mir auf vielerlei Weise zeigt, dass ihm mein Leben nicht egal ist?

Diese Erkenntnis hilft mir, meine Sorgen ihm anzuvertrauen. Ich kann Gott vertrauen, das ist das Fundament. Und darauf baue ich in den Nöten, die mich gerade gefangen halten. Ich hoffe darauf, einmal auf diese Notzeiten zurückzuschauen und auch für sie Danke sagen zu können, weil Gott da war und meine Gebete erhört hat.

Der Friede Gottes
Ein Leben, das Freude, Güte und Sorglosigkeit ausstrahlt, ist von Gottes Frieden umfangen. Friede, so lernen wir es hier, hat mit Behütet- und Bewahrt-Sein zu tun.

Ich stelle mir den Frieden Gottes wie einen Anschnallgurt im Auto vor. Klar, wenn alles glatt läuft, braucht man gar keinen Gurt, man kann sich ja selbst festhalten. Aber in dem Moment, wenn es kracht, würden wir reflexartig den Griff loslassen und ungebremst gegen die Frontscheibe knallen. Der Anschnallgurt verhindert unser Schleudern und hält uns fest, rettet unser Leben. So ist Gottes Friede. 

Wir spüren ihn eher weniger, wenn es glatt läuft, alles super ist. Wir brauchen ihn dringend in den Rüttelphasen, bei heftigem Aufprall, bei selbstverschuldeten oder fremdverschuldeten Unfällen im übertragenen Sinne. Gottes Friede ist nicht zu berechnen, einzufordern und oft noch nicht einmal zu erklären. Aber er wirkt. Er erhält uns die Freude selbst im Leid, lässt uns Gutes teilen und macht uns sensibel für Gottes Zeichen, die uns seiner Nähe versichern. 

Paulus erbittet diesen Frieden für die Philipper, und er gilt auch für uns. Möge uns Gott seinen Gurt umlegen und uns behüten und bewahren auch in dieser Woche.

Cornelia Trick


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