Der schmale Weg
Gottesdienst am 10.10.2004

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
seit Wochen ist der Karstadt-Quelle-Konzern in den Schlagzeilen. Rote Zahlen werden geschrieben, die Konzernführung wird wegen ihres Missmanagements angegangen, Tausende von Arbeitsplätzen sind bedroht. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht in den Medien analysiert wird, wo die Fehler zu finden sind und was den Konzern zum Absturz gebracht hat. Merkwürdig war für mich, wie mein eigenes Kaufverhalten sich an den Medienberichten orientierte. Kaum war bekannt geworden, dass Karstadt ein Auslaufmodell ist, mied ich das Kaufhaus und ging lieber zur Konkurrenz im gleichen Einkaufszentrum. Ich wollte mich nicht am Ausverkauf beteiligen, nicht bei denen einkaufen, die nur noch die traurigen Reste verwalteten. Dabei geschah das ganz unbewusst. Denn eigentlich möchte ich die Schwachen unterstützen und habe nichts gegen Verlierer.

Was ist da also passiert? Ich bin im Strom der öffentlichen Meinung mitgeschwommen, habe die Schlagzeilen verinnerlicht und wollte mich lieber in dem Ruhm der Gewinner sonnen, sei es auch nur dadurch, dass ich mit ihren Tüten durchs Einkaufszentrum ging. 

Eine ähnliche Beobachtung machte Jesus zu seiner Zeit wohl auch. Er beobachtete seine Mitmenschen und stellte fest, dass sie sich viel lieber im Ruhm der Mächtigen, Einflussreichen und Erfolgreichen sonnten, als sich zu denen zu halten, die auf der Schattenseite standen. Doch Jesus durchschaute, dass sie der Weg zu Ruhm und Erfolg immer weiter von Gott wegbrachte. Sie hatten keine Ohren mehr für das sanfte Werben Gottes, sondern nur für die Marktschreier, die die Hitlisten verkündeten. Dabei machte es keinen Unterschied, ob die Leute Gott kannten oder nicht. Die Anziehungskraft von Ruhm und Glanz dieser Welt war größer. 

Jesus hatte seine Anhänger und Anhängerinnen, dazu noch eine größere Zuhörerschaft um sich auf einem Berg versammelt. Er beschrieb ihnen, was es bedeutete, zu Gott zu gehören. Als Zentrum der Beziehung zu Gott nannte er das Vaterunser, das Gebet, das in Gottes Nähe führte. Doch am Ende seiner Rede machte er die Zuhörenden darauf aufmerksam, dass sie sich mit Gott nicht auf dem Weg der Schönen, Reichen und Mächtigen befänden, sondern auf einem Weg, der beschwerlich, oft ohne öffentliches Ansehen ist und von den meisten Menschen gemieden wird. 

Matthäus 7,13-14

Geht durch das enge Tor! Denn das Tor zum Verderben ist breit und ebenso die Straße, die dorthin führt. Viele sind auf ihr unterwegs. Aber das Tor, das zum Leben führt, ist eng und der Weg dorthin schmal. Nur wenige finden ihn. 

Am Ziel der beiden Wege stehen zwei Tore. Sie sind unterschiedlich breit. Breiter und schmaler WegEines lädt durch seine Größe ein, hindurchzuschreiten. Ja, es scheint sogar, dass man an Größe gewinnt, wenn man durch dieses Tor tritt. Das andere Tor wirkt vielleicht eher so wie der Notausgang für Angestellte. Es hat keine Größe, keine schöne Verzierung, ist wie eine Stahltür zum Durchschlüpfen an der Rückseite eines öffentlichen Gebäudes. Von außen betrachtet würde keiner auf die Idee kommen, durch diese Stahltür zu gehen. Wie gut, dass Jesus erläutert, was sich hinter den beiden Türen und Toren verbirgt. Anders als erwartet führt die Stahltür ins Paradies, die Gemeinschaft mit Gott in Ewigkeit. Das prächtige Tor aber ist lediglich eine Kulissenwand, schon ein Meter dahinter entpuppt sie sich als Eintritt in die absolute Finsternis ohne Gott. Jesus tut uns einen großen Gefallen. Er  warnt uns vor dem angesagten Ziel und weist auf das einzig erstrebenswerte Ziel hin. Er warnt uns damit auch vor dem Weg zu dem angesagten Ziel und ruft uns auf den schmalen Trampelpfad, der zur unscheinbaren Hintertür führt. 

Nun könnte man meinen, für Christen habe sich das Problem erledigt. Christen gehören doch zu Jesus. Sie beten regelmäßig das Vaterunser, sind getauft und verlassen sich nicht auf ihre tollen Leistungen, die sie in den Himmel bringen sollen, sondern auf Gottes Gnade allein. Damit ist der Weg doch schon festgelegt. Das stellt Jesus in Frage. Er reißt uns aus unserer scheinbaren Sicherheit. Auf dem breiten Weg, so führt er weiter aus, sind auch Leute, die ihn mit "Herr" anreden, die Wunder tun, Menschen von Krankheiten heilen und prophetische Worte sprechen. Es sind also sehr wohl auch Christen auf dem breiten Weg, die sich völlig im Einklang mit Gott empfinden. Ihr Bekenntnis unterscheidet sie nicht von denen auf dem schmalen Weg. Aber ihr Handeln ist unterschiedlich. Die auf dem schmalen Weg tun den Willen Gottes, die auf dem breiten Weg tun, was sie für Gottes Willen halten. Wie sich herausstellt, handeln sie aber nach eigenem Willen oder dem Willen anderer Menschen, dem sie sich fügen. 

Das Bildwort von den zwei Toren und zwei Wegen ist eine kritische Anfrage an uns und an mich. Wo finde ich mich wieder? Beachte ich die Wegzeichen Gottes? Sollte ich schnellstens einen Verbindungsweg suchen, um Gottes Willen wieder neu zu folgen?

Jesus, der Weg

Jesus sagt von sich an anderer Stelle (Johannes 14,6), dass er der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Den richtigen Weg zu gehen, bedeutet also, so nah wie möglich an Jesus dran zu bleiben. So macht es Sinn, dass der Weg schmal ist. Stellen Sie sich vor, ein Bergführer würde Sie in ein Sicherungsseil einbinden und rechts von Ihnen laufen. Das Seil zwischen Ihnen wäre 30m lang. Sie kämen durch eine Unebenheit ins Stolpern und würden sich nicht mehr halten können, dem steilen Abhang zur Linken entgegenrollen. Der Bergführer hätte keine Chance, Sie zu halten. Das Seil würde Sie beide in die Tiefe reißen. Der Bergführer nimmt seinen Gast ans kurze Seil, so kann er den Sturz abfangen und den Gast sicher zum Ziel führen. Er hat sich dieses Prinzip wohl von Jesus abgeschaut, der seine Nachfolgerinnen und Nachfolger ebenfalls ans kurze Seil nimmt, um sie vor Stürzen zu bewahren und den optimalen Weg finden zu lassen. 

Der schmale Weg ist ein beengter Weg. Wir werden erinnert an die Christenverfolgungen der ersten Zeit. Von allen Seiten wurden Christen in die Enge gedrängt, gezwungen, ihrem Glauben abzusagen oder wütend ermordet. Sie konnten nur bei Jesus bleiben, weil er ihnen ganz nahe war und sie fest in sein Seil eingebunden hatte. Die Christenverfolgungen wüten heute in vielen Gebieten der Erde. Und es ist auch heute wichtig, dass wir an die Christen denken, die um ihres Glaubens willen leiden müssen. Sie sind auf einem nach weltlichen Maßstäben unattraktiven Weg und halten fest an Jesus, der Wahrheit und Leben ist. Er wird sie nicht allein lassen und ihnen sein Leben schenken.

Das Bibelwort ist auch Zeitansage für uns. Wir erleben einen anderen Aspekt von Beschwerlichkeit. Nicht die Verfolgung setzt uns zu, sondern der breite Strom der Massen, der uns auf dem anderen Weg mitzureißen droht. Wir können uns diesem Strom fast gar nicht entziehen, es ist, als wenn wir auf der Rolltreppe am Flughafen rückwärts laufen wollten, stolpernd über Koffer, Reisetaschen, Menschen. Der Strom auf dem breiten Weg ist so schnell, dass auch das Ausscheren Mühe kostet, ja schon das Atemholen und Besinnen, ob wir denn in der richtigen Richtung unterwegs sind. So ist es auch für uns Christen nicht selbstverständlich, auf dem schmalen Weg zu laufen, sondern kostet jeden Tag neu die Entscheidung, mit Jesus den Tag zu wagen und ihm ganz nah zu bleiben. Dazu gehören immer wieder Grundsatzentscheidungen, den Willen Gottes nicht nur zu bekennen, sondern auch zu tun. Drei dieser Grundsatzentscheidungen möchte ich näher betrachten, weil sie sich krass von dem Mainstream unserer Zeit unterscheiden.

Jesus die Führung überlassen

Ein Erfolg des Kinoschlagers Pretty Woman bestand darin, dass da die Geschichte eines Mädchens aus einfachen Verhältnissen erzählt wurde, die von ihrem Märchenprinzen wachgeküsst und zur Prinzessin wurde. In unserem Inneren schlummert der Traum, wachgeküsst zu werden und den Weg nach oben anzutreten. Als Christen unterscheiden wir uns da wohl nicht von Menschen, die Jesus Christus nicht kennen. Vielleicht empfinden wir den Glauben als das nötige Doping, um an den Erfolg zu glauben: Gott liebt dich, also werde ich es mit seiner Hilfe und seinem Segen schaffen!

Doch Jesus ist den umgekehrten Weg für uns gegangen. Er ist aus dem Himmel herab gekommen, um ganz niedrig und gering zu sein, für uns Schuld auf sich zu laden und sogar zu sterben wie ein Verbrecher. An ihm können wir nicht ablesen, dass unser Weg mit Jesus zu Erfolg, Einfluss und Ruhm führt. Wenn Jesus uns ganz dicht hinter sich her führt, dann geht der Weg nicht automatisch nach oben, sondern kann genauso nach unten, in die Tiefe, auch in die Not führen. Es zählt nicht, wie viele Schulabschlüsse, Diplome, Urkunden und Aktien wir besitzen, sondern ob wir mit Jesus im Reinen sind und er vor uns ist. Das ist hart, wenn es mich persönlich betrifft. Natürlich möchte ich lieber auf der Sonnenseite stehen, doch darauf, so sagt es Jesus eindrücklich, kommt es nicht an. Ich muss meine Pläne und Träume in die Schublade legen und statt dessen die Bibel in die Hand nehmen, ja sagen zu Jesus und bei ihm bleiben, auch wenn es stürmt und kracht.

Mal ganz ehrlich, wann haben Sie Ihre Lebensziele zuletzt dahingehend überprüft, ob sie mit Gottes Willen für Ihr Leben übereinstimmen? Wann sind Sie durch das Einkaufszentrum gebummelt und haben sich gefragt, was Gott jetzt mit Ihrem Portemonnaie machen würde? Wann haben Sie Ihren Terminkalender danach befragt, viele Stunden er für Gott hergibt? Und wann haben Sie sich in einer angespannten Situation zuletzt hingesetzt, die Hände gefaltet und gebetet, statt sich in selbstzermarternden Gedanken zu zerfressen und die Schuld bei anderen zu suchen?

Für mich sind diese Fragen sehr wichtig, ich stelle sie mir häufig. Manchmal werde ich dabei auch von Christen belächelt, die finden, so eng kann man das ja nicht sehen. Aber wenn es hier wirklich darum geht, Jesus führen zu lassen, dann kann ich ihm nicht ständig Vorschriften machen, wie er mich bitteschön führen soll. Dann muss ich annehmen, dass er führt und ihm ganz vertrauen, auch wenn der Weg schmal ist und Abgründe aufweist.

Bereit sein zu dienen

Der "Diener" ist in unserer Gesellschaft längst abgeschafft. Weder verbeugen sich kleine Jungen noch mit einem Diener vor Erwachsenen, noch nennen wir Hausangestellte Diener. Dabei ist das Dienen ein Hauptwort für christliche Nachfolge. Jesus hat seinen Jüngern vor dem letzten Abendmahl die Füße gewaschen, die typische Aufgabe eines damaligen Hausangestellten. Und er tat es um zu zeigen, dass seine Herrschaft zutiefst als Dienst zu verstehen ist. Doch selbst in der Gemeinde kommt Dienen kaum noch vor. Wir reden lieber von Aufgaben und Berufungen als vom Dienst. Wenn jemand es als seine Aufgabe ansieht die Straße zu fegen, dann schwingt darin mit, dass er genau für diesen Arbeitsbereich ausersehen wurde, in ihn seine Vision von Straße Fegen einbringt und so leicht nicht zu ersetzen ist. Wenn jemand den Dienst des Straße Fegens übernimmt, hört sich das gleich nach Pflicht und Zwang an, einer muss es ja tun, also trifft es den, der am leichtesten zu überreden ist.

Doch Jesus sagt, dass Dienen eine große Verheißung hat. Er dient uns, damit wir darin seine Liebe erkennen können. Wir können dienen, um andere mit Gottes Liebe zu berühren. Dieses Dienen hat nichts mit Dienstplan, Zwang und Pflicht zu tun, sondern ist Ausdruck, dass wir von Gottes Liebe motiviert sind.

Wie kann das praktisch aussehen? Im Umgang mit Kindern macht es einen gewaltigen Unterschied, ob wir als Eltern uns als Dienende oder Herrschende verstehen. Als Herrschende haben wir im Sinn, unsere Kinder nach unseren Vorstellungen zu biegen. Sie sollen ihr Zimmer aufräumen, weil wir ihre Unordnung nicht ertragen können. Sie sollen sich unauffällig benehmen, weil wir mit unseren eigenen Themen voll sind. Sie sollen gute Leistungen bringen, weil wir uns in ihrem Glanz sonnen wollen. Sie werden zu Marionetten unserer Weltanschauung und unserer Vorstellung vom gelingenden Leben. Als Dienende nehmen wir unsere Kinder aus Gottes Perspektive wahr. Wir wollen sie mit Gottes Liebe bekannt machen. Wir wollen sie einladen, ihm zu vertrauen.

Mit einem Bild ausgedrückt: Wir setzen sie nicht hinten auf die Rückbank im Auto und fahren sie zu den Zielen, die wir uns für sie ausdenken, sondern wir geben ihnen Fahrstunden, setzen uns wie der Fahrlehrer neben sie und ermutigen sie, ihr Leben mit Gottes Hilfe selbst anzupacken. Dieses Dienen verändert das Verhältnis zueinander. Kinder erkennen, dass ihre Eltern ihnen Freiheit gewähren, aber sie wissen, die Eltern begleiten sie, fördern sie und helfen ihnen. Zur Not haben sie eine zweite Bremse. Dienen heißt nicht, dass die Eltern alle Hindernisse aus dem Weg räumen und endlose Entschuldigungen für das Schule Schwänzen schreiben. Sie sind nicht Dienstboten, sondern dienen, um Gottes Liebe groß zu machen. 

Das gleiche gilt für die Gemeinde. Auch hier hilft es, wenn wir nicht übereinander herrschen, sondern einander dienen. Wer eine Lieblingsidee verfolgt, muss sich fragen lassen, ob diese Idee dem Ganzen dient. Wer diese Frage nicht zulässt, will letztlich mit seiner Idee die anderen beherrschen. 

Die Beziehung zu Jesus ist durch Dienen qualifiziert. Er dient uns und wir? Nehmen wir uns diese Woche Zeit, ihm zu dienen und mit welchem konkreten Dienst - durch den ein bestimmter Mensch Gottes Liebe erfahren kann?

Gehorsam sein

In den letzten Wochen habe ich eine Urlaubsvertretung in der Schule übernommen und ein paar Stunden Religion unterrichtet. Die 8-Jährigen waren aufgeweckt und sogar interessiert. Doch am meisten interessierte sie, was sie selbst zu sagen hatten. Wenn eine Mitschülerin etwas zum Unterricht beitragen wollte, schwätzen viele dazwischen, nahmen ihr die Antwort aus dem Mund oder stellten Fragen, die sie viel mehr beschäftigten als der Unterricht selbst. 

Ich habe mich in diesen 8-Jährigen wiedererkannt. Da sagt Jesus sehr deutlich zu mir: Überlasse mir die Führung an diesem Tag, du hältst dich zu sehr an deinen Pflichten auf, ich zeige dir das Wesentliche! Und ich? Ich plappere dauernd dazwischen: Jesus, hilf mir, ich muss noch diesen Tagesordnungspunkt abarbeiten, jenes Telefonat führen, dieses Zimmer putzen ... Dabei wäre es so einfach, zuzuhören und Jesus machen zu lassen. 

Oder er sagt: Setz dich neben deine Tochter ins Auto und hilf ihr, diesen Tag zu meistern. Und ich? Ich sage ihr: Tu dies, tu das, sie wird bockig, ich wütend und am Schluss haben wir beide keinen Spaß an diesem Tag mehr und sind verletzt. Wie einfach wäre es gewesen, genau zuzuhören und zu tun, was Jesus mir gesagt hat. 

Wir haben die letzten Sonntage miteinander über die Bergpredigt nachgedacht. "Und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern." Haben Sie genau zugehört? Und haben Sie sich vergeben lassen sowie selbst Schuld vergeben? Wenn ja, herzlichen Glückwunsch, Sie sind auf dem richtigen Weg. Wenn nein, noch ist Zeit, den Weg zu wechseln, aus dem Strom der Menschenmenge auszuscheren und den Weg Jesu zu gehen.

Der breite Weg ist sehr attraktiv. Viele Leute gehen ihn, er bietet Sicherheit und Komfort, scheint nach oben zu führen und vereinbar mit dem Glauben zu sein. Aber nur auf den ersten Blick. Wenn wir genauer hinschauen, sehen wir, dass Jesus von uns erwartet, dass wir ihm die Führung überlassen, dass wir dienen statt zu herrschen und gehorsam sind nicht nur im Hören, sondern auch im Tun. Das unterscheidet die Wege voneinander. Gut, wenn wir die Chance ergreifen und die Kurve kriegen, bevor wir am falschen Tor angekommen sind.

Cornelia Trick


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